Anja Gregor
Autonomie der Geschlechtsentwicklung!? Intergeschlechtliche Biographien zwischen medizinischer Definitionsmacht und Selbstbestimmung.
Mittwoch 10.07.2013, 19:15, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) 0079
Anja Gregor ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für allgemeine und theoretische Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Mit dem medizinischen Zugriff auf intergeschlechtliche Körper wird in ganz besonderer Weise Einfluss auf die Geschlechtsentwicklung genommen. Durch die sexuellen und geschlechtlichen Zurechtweisungen im Sinne der gesellschaftlichen Normen ist es zwar auch bei Menschen mit körperlich gültigem (und dem Empfinden entsprechenden) Geschlecht problematisch, von einer autonomen Geschlechtsentwicklung zu sprechen. Es macht jedoch einen Unterschied, das ist eine These des Vortrags, ob Geschlecht gleichsam ‚ins Fleisch geschnitten‘ und also der Körper normalisierend zugerichtet oder dem Menschen über normative gesellschaftliche Werte vermittelt wird. Die Geschlechtsentwicklung wird dann eine ‚außergewöhnliche‘, wenn sich der Herrschaftsmechanismus der Normalisierung durch medizinische Zugriffe im intergeschlechtlichen Körper materialisiert. Es sind nicht mehr die disziplinierenden Interaktionen und Zuschreibungen über die Lesbarkeit des Antlitz und die Sprache, das Antlitz wird lesbar gemacht, mit für die Entwicklung des Individuums maßgeblichen Folgen.
Im Vortrag werde ich zunächst kurz einige Punkte zu meinem Verständnis von der Autonomie der Geschlechtsentwicklung sagen, meine Überlegungen dazu danach ausführlicher an Auszügen aus den biographischen Interviews verdeutlichen, die mir intergeschlechtliche Menschen gegeben haben. Ich möchte den Vortrag mit einigen an den jüngsten politischen und rechtlichen Ereignissen orientierten Überlegungen zur Notwendigkeit eines akzeptierenden Umgangs mit intergeschlechtlichen Menschen schließen, um anschließend in die Diskussion einzusteigen.
Am letzten Wochenende wurde in Hamburg anlässlich des DGKJ-Kongresses gegen Genitalverstümmlung bei intersexuell geborenen Kindern protestiert. Zum Thema Intersexualität/Zwischengeschlechtlichkeit reichen wir heute noch einen Podcast nach. Im Wintersemester 2011/2012 hatten wir Michaela zu Gast, die in Halle als Ärztin arbeitet und über den „Umgang von Medizin und Gesellschaft mit intersexuellen Menschen“ referierte. 