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Vortragseinladung 2014-12-10: Frauenkörper neu gesehen

Laura Méritt
Frauenkörper neu gesehen – Positionen des sex-positiven Feminismus zu selbstbestimmter Sexualität
Mittwoch 10.12.2014, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Dr. Laura Méritt ist Kommunikationswissenschaftlerin und Sex-Aktivistin, Initiatorin des PorYes-Feminist Porn Awards Europe, Betreiberin von “Sexclusivitäten” in Berlin, sowie wiederkehrender Gast unserer Vorlesungsreihe.

Körperbilder verändern sich im Laufe der Zeit, sind kulturell geprägt und gesellschaftlich normiert. In den 1970er Jahren wiesen die Frauengesundheitszentren darauf hin, wie stark Frauen auch in der rein anatomischen Beschreibung als mangelhafte Wesen dargestellt wurden. In dem Buch „Frauenkörper neu gesehen“ geht es darum, individuelles Körper-Selbst bewusstsein zu stärken und Wissen über Zusammenhänge zu vermitteln. Erstmals wurde eine komplette und positive Darstellung des weiblichen Körpers erstellt.

Doch diese Informationen sind nur teilweise ins Allgemeinwissen und ins medizinische Fachwissen eingegangen. Wie konnte es dazu kommen und welche feministischen Aktivitäten können greifen, um ein differenzierteres Bild von “Weiblichkeit” zu vermitteln? Wie kann man der Geschlechtervielfalt gerecht werden? Was kann der sich medial ausbreitenden Schönheitschirurgie entgegen gesetzt werden, deren finanzielles Interesse an Körpernormierungen offensichtlich ist?

Vortragseinladung 2013-11-27: ZeDiS

Lars Bruhn & Jürgen Homann
Wissenschaft, Partikularität und das Lehrhaus für Alle – Anmerkungen zur
Schließung des ZeDiS an der Universität Hamburg
Mittwoch 27.11.2013, 19:15, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) 0079

Lars Bruhn und Jürgen Homann sind Gründungsmitglieder des Zentrum für Disability Studies, einem mehrfach preisgekrönten Projekt, welches Pionierarbeit für die Disability Studies im deutschsprachigen Raum leistete und leistet.

2009 trat in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in Kraft. Anders als ihr Name zunächst vermuten lässt, ist sie kein Regelwerk zur völkerrechtlichen Einführung partikularer Interessen von Behinderung betroffener Menschen. Vielmehr führt sie die allgemeinen Menschenrechte auf der Grundlage von Chancengleichheit aus der Perspektive von Behinderung betroffener Menschen aus. Diese Gruppe wird entsprechend als Teil der menschlichen Vielfalt aufgefasst. Inklusion ist damit das zentrale Anliegen der UN-BRK nicht allein für von Behinderung betroffene Menschen, sondern für alle.

Der Vortrag wird der Frage nachgehen, ob und inwiefern Inklusion auch auf das Verständnis von Wissenschaft theoretisch wie praktisch Auswirkungen hat oder gar haben muss. Ergeben sich daraus „ungewöhnliche Maßnahmen“ für Lehre und Forschung, zu denen der Präsident der Universität Hamburg, Prof. Dr. Dieter Lenzen, im Rahmen der hochschulübergreifenden Aufklärungskampagne „Mehr Wissen schafft mehr!“ im Mai 2011 noch aufrief, um gegen Sparvorhaben des Senats der Stadt Hamburg für den Wissenschaftsbereich zu mobilisieren? Oder bedeutet Inklusion für Lehre und Forschung, dem Ungewöhnlichen des eigentlich Selbstverständlichen (Chancengleichheit) Raum zu gewähren, der damit ein kritischer ist? In der Auseinandersetzung mit solchen und ähnlichen Fragen wird die Perspektive auf ein „Lehrhaus für Alle“ eröffnet werden.

Anna-Katharina Meßmer: Intimchirurgie

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenAnna-Katharina Meßmer war im Sommersemester in unserer Reihe zu Gast. Ihr Vortrag war angekündigt unter dem Titel „‚Und dann ändert man eben seinen Körper‘ – Intimchirurgie zwischen Medikalisierung und Rohstoffisierung“. Davon abweichend behandelt Meßmer die Rolle von Genitalverstümmlung im Diskurs um Intimchirugie im cis-weiblichen Genitalbereich. Der Vortrag basiert in dieser Form auf dem Artikel „Same Same But Different: Intimmodifikationen zwischen Zwang und Selbstbestimmung“, der 2013 in einem Band mit dem Titel „Wanderungen. Migrationen und Transformationen aus geschlechterwissenschaftlichen Perspektiven“ bei transcript erschienen ist.

Anna-Katharina Meßmer promoviert derzeit an der LMU München am Lehrstuhl von Paula Irene Villa. Dort ist sie angegliedert an das DFG-Projekt „Das optimierte Geschlecht? Soziologische Explorationen zur (Neu)Kodierung der Geschlechterdifferenz am Beispiel der ‚Schönheitschirurgie'“.

Inhaltswarnung: Die Referentin geht auf die medizinischen Praxen der Intimchirugie und die Praxen der Genitalbeschneidung bei Frauen ein.

[podcast]http://www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/podcast/messmer_2013_CC.mp3[/podcast]
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Vortragseinladung 2013-07-10: Intergeschlechtliche Biographien

Anja Gregor
Autonomie der Geschlechtsentwicklung!? Intergeschlechtliche Biographien zwischen medizinischer Definitionsmacht und Selbstbestimmung.
Mittwoch 10.07.2013, 19:15, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) 0079

Anja Gregor ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für allgemeine und theoretische Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Mit dem medizinischen Zugriff auf intergeschlechtliche Körper wird in ganz besonderer Weise Einfluss auf die Geschlechtsentwicklung genommen. Durch die sexuellen und geschlechtlichen Zurechtweisungen im Sinne der gesellschaftlichen Normen ist es zwar auch bei Menschen mit körperlich gültigem (und dem Empfinden entsprechenden) Geschlecht problematisch, von einer autonomen Geschlechtsentwicklung zu sprechen. Es macht jedoch einen Unterschied, das ist eine These des Vortrags, ob Geschlecht gleichsam ‚ins Fleisch geschnitten‘ und also der Körper normalisierend zugerichtet oder dem Menschen über normative gesellschaftliche Werte vermittelt wird. Die Geschlechtsentwicklung wird dann eine ‚außergewöhnliche‘, wenn sich der Herrschaftsmechanismus der Normalisierung durch medizinische Zugriffe im intergeschlechtlichen Körper materialisiert. Es sind nicht mehr die disziplinierenden Interaktionen und Zuschreibungen über die Lesbarkeit des Antlitz und die Sprache, das Antlitz wird lesbar gemacht, mit für die Entwicklung des Individuums maßgeblichen Folgen.

Im Vortrag werde ich zunächst kurz einige Punkte zu meinem Verständnis von der Autonomie der Geschlechtsentwicklung sagen, meine Überlegungen dazu danach ausführlicher an Auszügen aus den biographischen Interviews verdeutlichen, die mir intergeschlechtliche Menschen gegeben haben. Ich möchte den Vortrag mit einigen an den jüngsten politischen und rechtlichen Ereignissen orientierten Überlegungen zur Notwendigkeit eines akzeptierenden Umgangs mit intergeschlechtlichen Menschen schließen, um anschließend in die Diskussion einzusteigen.

Vortragseinladung 2013-07-03: Enhancement

Mike Laufenberg
Regenerative Körper? Biomedizin, Enhancement und die Krise der gesellschaftlichen Reproduktion
Mittwoch 03.07.2013, 19:15, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) 0079

Dr. Mike Laufenberg ist Soziologe und arbeitet z.Zt. als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZIFG zu Berlin. Er referiert am Mittwoch zu folgendem Thema:

Der regenerative Körper ist eine alte Vision der Medizin, die jedoch seit einiger Zeit neuen Aufwind erfährt. Von der Präventions- über die Stammzellforschung bis zur Gen- und Zelltherapie setzt die Biomedizin heute vermehrt auf die Anregung körpereigener Reparatur- und Regenerationsprozesse. Die Medizin tritt dabei nicht mehr erst im Krankheitsfall auf den Plan, sondern beansprucht zunehmend Krankheiten zu verhindern, bevor sie entstehen. Nicht der symptomatische, sondern der präsymptomatische, nicht der pathologische, sondern der ’normale‘ Körper wird der modernen Medizin damit zusehends zum Problem und Interventionsfeld. Im Vortrag wird dieser Paradigmenwechsel in der Medizin als Ausdruck einer biopolitischen Neuanordnung von Individuum, Körper und Gesellschaft analysiert. Im Zentrum steht dabei die Beobachtung, dass der Ausbau einer milliardenschweren Hightech-Medizin in den Ländern der OECD zeitlich mit der Entsicherung sozialer Pflege- und Sorgestrukturen korreliert. Der regenerative Körper der Biomedizin ist die Vision eines autonomen, sich selbst reproduzierenden Körpers, der auf Bindungen zu sozialen Gemeinschaften nicht mehr angewiesen zu sein scheint. Medizinischer Autonomismus, statt communities of care? So wie die Medizin sich seit geraumer Zeit erneuert, muss sich auch die Medizinkritik erneuern, will sie die Umstände und Konsequenzen dieser Entwicklungen analytisch erfassen. Im Vortrag werden traditionelle Elemente der Medizinkritik (z.B. Kritik an Pathologisierung und Normierung) auf ihre Aktualität hin befragt und in ihrer begrenzten Reichweite kritisiert. Davon ausgehend sollen die Konturen einer queer-feministischen Medizinkritik gezeichnet werden, die die moderne Biomedizin und deren Leitbild des regenerativen Körpers gesellschafts- und kapitalismustheoretisch einzuordnen sucht und Alternativen aufzeigt.

Vortragseinladung 2013-06-19: Das Fatale Genitale

Diana Hartmann
Das fatale Genitale
Mittwoch 19.06.2013, 19:15, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) 0079

Diana Hartmann ist KunstfotografIn und Intersex-AktivistIn in Hamburg. Sie referiert Mittwoch zu folgendem:

Eine zu große Klitoris zu haben ist nicht erlaubt in Deutschland. Mit zu „groß“ wird die Länge bei Neugeborenen bei ca. 1,5 cm angesetzt, ungefähr die Länge einer Fingerkuppe. Ein zu kleiner Penis mit weniger als ca. 2 cm ist ebenfalls nicht erlaubt. Bei einer großen Klitoris hat man/n die Befürchtung, dass sie sich über Gebühr erigieren könnte, und bei einem kleinen Penis befürchtet man/n eine nicht genügende Erektionsfähigkeit. Solche Genitale werden zum Störfaktor der strikt aufrecht gehaltenen und beruhigenden sozialen Ordnung unserer heutigen Gesellschaft, in der jede/r zu glauben hat, dass unsere Körper nur in zwei Formen zu existieren haben: perfekt männlich oder perfekt weiblich. Unsere Genitale sind jedoch überraschend mehr- und auch uneindeutig. Tag für Tag werden Kinder in unsere Gesellschaft geboren, die nicht zu dem reflexartigen Ausruf „Es ist ein Mädchen!“ oder „Es ist ein Junge!“ animieren, und noch viele mehr haben Genitalien, die als „maskulinisiert“ oder „feminisiert“ definiert werden, obwohl das Geschlecht des Kindes außer Frage steht. Gemäß der Leitlinie der Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin wird empfohlen, die Genitalien der Kinder im Alter von ca. einem Jahr operativ zu modifizieren, um ihre Körper in eine Richtung zu manipulieren, die dem gesellschaftlichen Konsens der „wahren“ Weiblichkeit oder Männlichkeit entsprechen. Klitorale Chirurgie und Phalloplastie sind brutal und unlogisch und – egal wie man es nennen will – sie sind immer eine Verstümmelung. Wir werden in diesem Vortrag den misogynen, homofeindlichen und sexualitätszerstörenden Hintergrund der sog. „Genitalen Zwangsoperationen“ an Mädchen, Jungen und Intersexe beleuchten.

Vortragseinladung 2013-06-05: Intimchirurgie

Anna Katharina Messmer
„Und dann ändert man eben seinen Körper“ – Intimchirurgie zwischen
Medikalisierung und Rohstoffisierung
Mittwoch 05.06.2013, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Anna Katharina Messmer ist als Diplom-Soziologin und derzeit an der LMU München tätig, hat aber auch theoretische und praktische Erfahrungen im Bereich Medien- und Kommunikationspolitik. Sie trägt zu Aspekten ihres Dissertationsthemas vor:

Die Selbstoptimierung mittels ‚Schönheitschirurgie’ ist im weiblichen Genitalbereich angekommen. Zur Intimchirurgie/Female Genital Cosmetic Surgery bzw. Vaginal Rejuvenation zählen Schamlippenkorrekturen, Modellierungen des Venushügels, Vaginalverengungen, Geburtsfolgenkorrekturen und G-Punkt-Unterspritzungen. Begründet werden diese Eingriffe zunehmend über ‚biologische Defizite’ und ‚medizinische Notwendigkeiten’. Der weibliche Körper erscheint hier abwechselnd als zu behandelndes, medizinisches Problem und als formbare Rohmasse. Dabei zeichnen sich zahlreiche Grenzverhandlungen ab: unter anderem zwischen ‚Natur’ und ‚Kultur’, zwischen ‚Krankheit’ und ‚Gesundheit’, aber auch zwischen ‚richtigen’ und ‚falschen’ Genitalien, zwischen ‚Zwang’ und ‚Selbstermächtigung’ sowie zwischen ‚Intimchirurgie’ und ‚Genitalverstümmelung’. Auf der Grundlage empirischer Analysen des Intimchirurgie-Diskurses werde ich diese Grenzziehungen nachzeichnen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen, wer die zentralen Diskursakteur_innen sind, die um Deutungshoheit kämpfen, und auf welche Strategien zur Begründung und Legitimation sie dabei zurückgreifen.

Veranstaltungstip 2013-21-1: Biologismus in der Psychologie

Vanessa Lux
Unikate Vorlesung: Biologismus in der Psychologie : Die Suche nach den Genen: Biologie und Biologismus in der Psychologie
Montag, 21.1.2013, um 18:15 Uhr, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 5 („WiWi Bunker“), Hörsaal B2

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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe interessierte Menschen,

Wir freuen uns, im Rahmen der „Unikaten Vorlesung“ in diesem Semester Dr. Vanessa Lux (Berlin) mit einem Vortrag zum Thema „Biologismus in der Psychologie“ begrüßen zu dürfen unter dem Titel: „Die Suche nach den Genen: Biologie und Biologismus in der Psychologie“

Dr. phil. Vanessa Lux ist Diplom-Psychologin, sie promovierte 2011 zum Thema „Genetik und psychologische Praxis“ an der Freien Universität Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Schnittstellen zwischen den Bio-/Neurowissenschaften und der Psychologie sowie Theorie und Geschichte der Psychologie. Sie arbeitet zur Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Kuturelle Faktoren der Vererbung“, Teilprojekt „Epigenetik und Psychologie: das Beispiel Trauma“.

Im Anschluss an den Vortrag wird es Zeit für Fragen und Diskussion geben. Wir bitten um rege Weiterverbreitung der Einladung und freuen uns auf Ihr und Euer Kommen!

Die Referentin über ihren Vortrag

Seit den Anfängen der Genetik wurden individuelle Differenzen im Psychischen immer mal wieder auf Unterschiede in den Genen zurückgeführt. Die psychiatrischen Genetik hatte sogar verkündet, mit Hilfe der modernen Gentechnologie den Einfluss einzelner Gene auf psychisches Erleben endgültige aufzuklären. Anfangs schien es auch so, als hätte dies Erfolg: Nur allzu oft war in den Medien vom „Schizophrenie-„, „Depressions-“ und „Alkoholismus-Gen“ die Rede, das „gefunden“, „identifiziert“ oder „entdeckt“ worden sei. Erst seit kurzem werden komplexere Annahmen des Zusammenhangs zwischen der DNA und psychischen Funktionen – etwa unter dem Stichwort „Epigenetik“ – in Forschung und Medienöffentlichkeit diskutiert. Wie aber passen die Suche nach dem Schizophrenie-Gen und das biologische Wissen um die Komplexität auf DNA-Ebene zusammen? Was bedeutet das für die Forschungsmethoden der psychiatrischen Genetik? Welche Vorstellungen von Norm und Abweichung liegen diesen implizit zugrunde? Und schließlich: Wie verändert sich unser Verständnis von der Biologie des Psychischen durch z.B. die Epigenetik?

Der Vortrag stellt den gegenwärtigen Wandel in der Vorstellung vom „Gen“ von der Genetik zur Epigenetik bzw. Systembiologie vor und diskutiert die Konsequenzen dieses Wandels für die Methoden, mit denen nach Genen für psychische Funktionen und ihre Störungen gesucht wird, sowie für den Umgang mit biologischem Wissen in der Psychologie.

Mit herzlichen Grüßen, das Menschenbilder-Team in Zusammenarbeit mit dem Fachschaftsrat Psychologie

Michaela: Umgang von Medizin und Gesellschaft mit intersexuellen Menschen

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenAm letzten Wochenende wurde in Hamburg anlässlich des DGKJ-Kongresses gegen Genitalverstümmlung bei intersexuell geborenen Kindern protestiert. Zum Thema Intersexualität/Zwischengeschlechtlichkeit reichen wir heute noch einen Podcast nach. Im Wintersemester 2011/2012 hatten wir Michaela zu Gast, die in Halle als Ärztin arbeitet und über den „Umgang von Medizin und Gesellschaft mit intersexuellen Menschen“ referierte.

[podcast]http://www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/podcast/michaela_2012_CC.mp3[/podcast]
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Intersexualität mag inzwischen mehr Menschen theoretisch bekannt sein, verbessert hat sich der Umgang mit den Betroffenen bis heute wenig. Auch heute noch übt die Medizin in “fortschrittlichen” Ländern mit Skalpellen und anderen Instrumenten Gewalt gegen intersexuelle Menschen aus, sobald sie ihrer habhaft werden kann. Diese Behandlungen ohne medizinische Notwendigkeit dienen nicht dem Kindswohl, sondern mutmaßlichen oder auch nur eingebildeten Bedürfnissen nicht-intersexueller Menschen. Die lebenslangen Folgen für die Betroffenen können unter anderem Schmerzen, Verlust der sexueller Empfindungsfähigkeit, und schwere körperliche Schäden beinhalten; erschwerend tritt eine Traumatisierung ein, besonders wenn Betroffenen gegenüber geschwiegen oder gelogen wird, was jahrzehntelang als “Standard” galt.

Ungeachtet des Ausmaßes an Menschenrechtsverletzungen, wie es ein erheblicher Anteil der Betroffenen erlitten hat, erschrecken auch die Zahlen derer, die vermeintlich “glimpflich” davon gekommen sind, zumal sich viele anscheinend nicht der Zusammenhänge bewußt sind; sie neigen dazu, die Ursache für körperliche und seelische Probleme bei sich und ihrem angeborenen So-Sein zu suchen, statt bei den Tätern im Medizinsystem. Intersexualität wurde von Gesellschaftswissenschaftlern und politischen Organisationen anderer Zusammenhängen zwar entdeckt und angeführt, aber statt sich mit den Zwittern gegen die Zwangsoperationen und -behandlungen zu solidarisieren, ging es um die Interessen anderer Gruppen, bisweilen wurden sogar “Mittäter” als “Experten” herangezogen.

Da ja intersexuelle Menschen gar nicht so selten sind, kommen sie auch in lesbischen oder “queren” Zusammenhängen vor; der tatsächliche Umgang mit ihnen sollte an Offenheit und Akzeptanz gewinnen.

Vortragseinladung 2012-04-11: Reproduktions- und Biotechnologien

Ute Kalender
Körper von Wert. Eine queer-feministische und politisch-ökonomische Perspektive auf Reproduktions- und Biotechnologien
Mittwoch 11.04.2012, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Bei diesem Vortrag werden Schriftmittler*innen anwesend sein – weitersagen

Aus Berlin ist am Mittwoch Dr. Ute Kalender in unserer Vorlesungsreihe zu Gast, z.Zt. am DFG Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“, wo Sie am Forschungsprojekt zu Biological Citizenship arbeitet. Sie referiert zu folgendem Thema:

Transgender- und Queertheoretiker_innen schreiben Reproduktionstechnologien in der Regel ein ‚transgenderes’ oder ‚queeres’ Potential zu: Reproduktionstechnologien könnten die heteronormative Ordnung von reproduktivem Geschlechtskörper, reproduktiver Geschlechtsidentität und reproduktivem Begehren unterwandern und heteronormative Formen von Elternschaft und Verwandtschaft durcheinander bringen. Dieses queere Potential bildet den Ausgangspunkt meines Beitrages. Im ersten Teil sollen die queeren Möglichkeiten herausgearbeitet und eine Kritik an den diskriminierenden und ausschließenden Aspekten zeitgenössischer deutscher Biopolitik formuliert werden. Der zweite Teil nimmt die problematischen Momente der Technologieverständnisse in Transgender- und Queerbeiträgen in den Blick. Dazu soll auf postfordistische Feminismen und kritische Disability Studies rekurriert werden. Während erste auf das Entstehen neuer Akkumulationsregime samt neuer Arbeitsformen – der sogenannten regenerativen Arbeit – hinweisen, legen die kritischen Disability Studies nicht nur avancierte Analysen heutiger neo-eugenischer Praktiken vor, sondern haben auch auf die kapitalistische Geschichte der Normalisierung hingewiesen. Vor diesem Hintergrund soll gefragt werden, wie Schlüsselbegriffe queer-feministischer Ökonomiekritik (z.B. sexuelles Arbeiten) justiert werden könnten und ob das queere nicht auch ein queerfeindliches und transphobes Potential bedeutet – wie etwa im Fall von Sex Selection oder dem sogenannten Family Balancing.