Mittwoch, den 03.07.2019 um 19:15 Uhr
WiWi-Bunker, Von-Melle-Park 5, Raum 0079, Uni Hamburg
Prof. Dr. Silke van Dyk, Arbeitsbereich Politische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Hier das Abstract zum Vortrag:
Öffentlichkeitswirksam wird derzeit darüber gestritten, ob das Erstarken rechter und rechtspopulistischer Kräfte vor allem eine „Notwehr“ der unteren Schichten gegen den (Neo-)Liberalismus ist oder ob hier vielmehr Privilegien gegenüber Geflüchteten, Migrant*innen, Homosexuellen oder Frauen verteidigt werden. Wo Rassismus den einen als wichtige Erklärungskraft gilt, ist dieser für die anderen nur der Ausdruck eines zwar politisch (nach rechts) fehlgeleiteten, grundsätzlich aber berechtigten Strebens nach sozialer Gerechtigkeit. Von liberalen, sozialdemokratischen wie linken Kräften ist derzeit dabei gleichermaßen zu hören, die Überakzentuierung linker Identitätspolitiken, das Eintreten für die Belange von Frauen, Migrant*innen, LGBTQI* oder Schwarzen habe (die in dieser Entgegensetzung weiß und männlich gedachten) Arbeiter*innen und ökonomisch weniger Privilegierten in die Arme der Rechten getrieben. Zugleich ist innerhalb der Linkspartei, unter kritischen Wissenschaftler*innen wie auch in der medialen Debatte eine Re-Nationalisierung der sozialen Frage zu beobachten, im Kontext derer internationalistische und kosmopolitische Positionen, die auf transnationale Solidarität und Gerechtigkeit setzen (und eine lange Tradition in der Arbeiterbewegung haben) zur Spielwiese privilegierter Intellektueller erklärt werden.
Der Vortrag setzt sich kritisch mit diesen Diagnosen auseinander und wirft die Frage auf, warum Sexismus, Rassismus und Homophobie in Zeiten der erstarkenden Rechten verstärkt zu Nebenwidersprüchen erklärt werden, während die Klassenfrage verstärkt als soziale Frage weißer männlicher Arbeiter im globalen Norden kurzgeschlossen wird. Ziel des Vortrags soll es auch sein, auszuloten, wie eine emanzipatorische Kritik jenseits der problematischen Entgegensetzung von Klassen- und Identitätspolitik aussehen kann.