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Veranstaltungsreihe „Geister der (Haus)Arbeit. Zur Verschränkung von Feminismen und Migration“ in der W3

Liebe Freund*innen der AG Queer Studies,
unsere Vorlesungsreihe für das Wintersemester ist abgeschlossen.
Wir freuen uns aber sehr, für die Zeit zwischen den Semestern auf folgende Veranstaltungsreihe hinzuweisen:

Was hat es sich seit der „Lohn-für-Hausarbeit“-Debatte in den 70ern verändert? Hat die Lohnarbeit die gewünschte emanzipative Wirkung für Frauen erzielt?
 Die Doppelbelastung durch Erwerbs- und Hausarbeit zwingt viele Frauen zum Verzicht auf Lohnarbeit. Häusliche Arbeit und der ganze Komplex von Tätigkeiten, die unser Leben reproduzieren, genießen nach wie vor geringe gesellschaftliche Wertschätzung. Doch wie sieht die Hausarbeit heute aus? Was bedeutet die Neuordnung der Hausarbeit? Wer steht heute noch und wo am „Spülbecken“ und welcher Küche?

Über diese und andere Fragen zum Thema der Neuordnung der Hausarbeit können Sie in der Veranstaltungsreihe „Geister der (Haus)Arbeit. Zur Verschränkung von Feminismen und Migration“ in der W3 diskutieren:

Mit den Künstler_innen Johanna und Benjamin Wölfing, 2014

Do 12., Do 19., Do 26. Februar / Videoinstallation, vor und nach den Veranstaltungen
frankfurter küche

Mit Filmemacherinnen Lizza May David, Claudia Liebelt
(Dokumentarfilm, D 2011, 40 Min., eng. OF mit Handouts und Flüsterübersetzung)
„Cycles of Care“
Do 12. Februar, 19:30 Uhr / Film / 3,-
Der Film „Cycles of Care“ zeigt fünf Frauen, die nach Jahren der Arbeit als Hausarbeiterinnen und Pflegerinnen alter Menschen in Israel nach Manila zurückgekehrt sind. In Fotoalben blätternd, Hebräisch sprechend und das Leben im Kibbutz oder mit ehemaligen Arbeitgebern erinnernd, sprechen sie vom Durchqueren von Grenzen in einem nicht nur geographischen Sinne. Nach dem Film gibt es die Möglichkeit mit den Filmemacherinnen zu diskutieren.

Mit Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Professorin für Soziologie, Universität Gießen)

Do 19. Februar, 19:30 Uhr / Vortrag / 3,-
Outsourcing im Haushalt: Erkundungen zum Wert der Arbeit 

Wie gestalten sich die Arbeitsbedingungen im privaten Haushalt? Wer beauftragt wen? Welche regulierenden Maßnahmen der EU-Migrationspolitik wirken dafür begünstigend? In ihrem Vortrag geht Encarnación Gutiérrez Rodríguez auf diese Fragen ein und zeigt, wie in den Beschäftigungsbeziehungen im Bereich der Hausarbeit das koloniale Erbe nachwirkt und rassistische Mechanismen vorherrschen.

Mit Bini Adamczak (u.a. Autorin)

Do 26. Februar, 19:30 Uhr / Lesung / 3,-
Aufstand aus welcher Küche? Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalis­mus

Die Debatte über Reproduktionsarbeit (u.a. Haus- und Familienarbeit) ist eine der ältesten in der Geschichte des Feminismus. Heute kommen für Familien neue Problemfelder hinzu: Einerseits sind sie von der Doppelbelastung durch Erwerbs- und Hausarbeit betroffen, andererseits erkämpfen sie oftmals ihre Freiräume auf Kosten der Subalternen und Prekarisierten – also der Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht organisieren oder ihrer Position eine Stimme verleihen können. Dieses Dilemma beschreibt Silvia Federici als Neuordnung der Hausarbeit und als ein Ausbeutungsmechanismus in ihrem Buch „Aufstand aus der Küche“.
Bini Adamczak, die Mitherausgeberin der deutschen Fassung, liest aus dem Buch. Als Expertin der politischen Ökonomie und Vertreterin der polysexuellen Oekonomie zieht Adamczak zudem die Verbindungslinien zwischen Federicis Thesen und queer-feministischer Positionen.

Alle Veranstaltungen finden im Saal der W3 statt.
W3 – Werkstatt für internationale Kultur und Politik e.V.
Nernstweg 32 – 34
22765 Hamburg

Vortragseinladung 2013-11-27: ZeDiS

Lars Bruhn & Jürgen Homann
Wissenschaft, Partikularität und das Lehrhaus für Alle – Anmerkungen zur
Schließung des ZeDiS an der Universität Hamburg
Mittwoch 27.11.2013, 19:15, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) 0079

Lars Bruhn und Jürgen Homann sind Gründungsmitglieder des Zentrum für Disability Studies, einem mehrfach preisgekrönten Projekt, welches Pionierarbeit für die Disability Studies im deutschsprachigen Raum leistete und leistet.

2009 trat in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in Kraft. Anders als ihr Name zunächst vermuten lässt, ist sie kein Regelwerk zur völkerrechtlichen Einführung partikularer Interessen von Behinderung betroffener Menschen. Vielmehr führt sie die allgemeinen Menschenrechte auf der Grundlage von Chancengleichheit aus der Perspektive von Behinderung betroffener Menschen aus. Diese Gruppe wird entsprechend als Teil der menschlichen Vielfalt aufgefasst. Inklusion ist damit das zentrale Anliegen der UN-BRK nicht allein für von Behinderung betroffene Menschen, sondern für alle.

Der Vortrag wird der Frage nachgehen, ob und inwiefern Inklusion auch auf das Verständnis von Wissenschaft theoretisch wie praktisch Auswirkungen hat oder gar haben muss. Ergeben sich daraus „ungewöhnliche Maßnahmen“ für Lehre und Forschung, zu denen der Präsident der Universität Hamburg, Prof. Dr. Dieter Lenzen, im Rahmen der hochschulübergreifenden Aufklärungskampagne „Mehr Wissen schafft mehr!“ im Mai 2011 noch aufrief, um gegen Sparvorhaben des Senats der Stadt Hamburg für den Wissenschaftsbereich zu mobilisieren? Oder bedeutet Inklusion für Lehre und Forschung, dem Ungewöhnlichen des eigentlich Selbstverständlichen (Chancengleichheit) Raum zu gewähren, der damit ein kritischer ist? In der Auseinandersetzung mit solchen und ähnlichen Fragen wird die Perspektive auf ein „Lehrhaus für Alle“ eröffnet werden.

Bini Adamczak: bzw. – Beziehungsweise. Liebe & Kapital.

Foto von Bini AdamczakIm Sommersemester 2013 war Bini Adamczak zum zweiten Mal in unserer Reihe zu Gast. Erneut widmete sie sich dem Komplex Kapitalverhältnis und Liebe, die sie im Vortrag jeweils als Beziehungsweise analysiert. Mehr zu „bzw. – Beziehungsweise. Liebe & Kapital.“ erfahrt ihr wie immer im unten stehenden Abstract.

Zur weiteren Lektüre empfehlen wir die beiden Bücher von Bini: „Kommunismus. Kleine Geschichte wie alles anders wird“, hier auch in einer Version zum Zuhören auf youtube, und „Gestern Morgen. Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft“ (hier ebenfalls als Lesung).

[podcast]http://www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/podcast/adamczak_2013_CC.mp3[/podcast]
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Ware und Liebe sind Beziehungen, Beziehungsweisen, die zudem in inniger Beziehung zueinander stehen. In beiden maskiert sich eine gesellschaftliche Beziehung von öffentlichem Interesse als bloßes Privatverhältnis, als zweigliedriger Austausch von Dingen und Geld, von Obszönitäten und Zärtlichkeiten – oder beidem zugleich. Als Austausch, jedenfalls, von Arbeit – Waren produzierender oder Arbeitskraft reproduzierender Arbeit; Lohnarbeit oder Liebesarbeit. In beiden Beziehungsweisen manifestiert sich eine erstaunliche Symbiose von Singularität und Universalität, privatester Privatheit und öffentlichster Öffentlichkeit. Die Ware beansprucht – trotz aller Serialität – als gebrauchswertiger Körper immer ein konkretes Bedürfnis zu befriedigen und trägt zugleich einen Preis, als Zeichen ihrer allgemeinen Austauschbarkeit. Die Liebe, ganz ähnlich, behauptet, jedes Mal unverwechselbar und einzigartig zu sein und dudelt doch täglich unentrinnbar in Radio, TV wie Kino. Zu lieben (romantisch) soll ebenso Merkmal einer allgemeinen Anthropologie sein wie zu tauschen (äquivalent) oder zu kacken (individuell). Gerade in der Vereinzelung soll die Allgemeinheit bestehen. Doch der private Handel verbirgt die öffentliche Aushandlung.

Ute Kalender: Körper von Wert

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenIm Sommersemester 2012 hatten wir im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung mit dem Zentrum für Disability Studies die Freude, Dr. Ute Kalender in unserer Reihe zu begrüßen. In ihrem Vortrag „Körper von Wert. Eine queer-feministische und politisch-ökonomische Perspektive auf Reproduktions- und Biotechnologien“ untersucht sie das vielzitierte queere Potential von Reproduktionstechnologien aus der Perspektive der Disability Studies und von postfordistischen Feminismen.
Das Script des Vortrages samt Literaturliste ist beim Zentrum für Disability Studies online als PDF erhältlich. Utes Dissertation „Körper von Wert. Eine kritische Analyse der bioethischen Diskurse über die Stammzellforschung“ erschien 2011 bei transkript.

[podcast]http://www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/podcast/Kalender2012.mp3[/podcast]
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Transgender- und Queertheoretiker_innen schreiben Reproduktionstechnologien in der Regel ein ‚transgenderes’ oder ‚queeres’ Potential zu: Reproduktionstechnologien könnten die heteronormative Ordnung von reproduktivem Geschlechtskörper, reproduktiver Geschlechtsidentität und reproduktivem Begehren unterwandern und heteronormative Formen von Elternschaft und Verwandtschaft durcheinander bringen. Dieses queere Potential bildet den Ausgangspunkt meines Beitrages. Im ersten Teil sollen die queeren Möglichkeiten herausgearbeitet und eine Kritik an den diskriminierenden und ausschließenden Aspekten zeitgenössischer deutscher Biopolitik formuliert werden. Der zweite Teil nimmt die problematischen Momente der Technologieverständnisse in Transgender- und Queerbeiträgen in den Blick. Dazu soll auf postfordistische Feminismen und kritische Disability Studies rekurriert werden. Während erste auf das Entstehen neuer Akkumulationsregime samt neuer Arbeitsformen – der sogenannten regenerativen Arbeit – hinweisen, legen die kritischen Disability Studies nicht nur avancierte Analysen heutiger neo-eugenischer Praktiken vor, sondern haben auch auf die kapitalistische Geschichte der Normalisierung hingewiesen. Vor diesem Hintergrund soll gefragt werden, wie Schlüsselbegriffe queer-feministischer Ökonomiekritik (z.B. sexuelles Arbeiten) justiert werden könnten und ob das queere nicht auch ein queerfeindliches und transphobes Potential bedeutet – wie etwa im Fall von Sex Selection oder dem sogenannten Family Balancing.

Vortragseinladung (Schriftgemittelt!) 2011-07-06: „Armlose Wunder“

Lucie Storchová
„Ich will, deswegen kann ich!“ Geschlechtliche Markierung der Normalität, Produktivität und „bürgerlichen Tüchtigkeit“ in Autobiographien der zentraleuropäischen „armlosen Wunder“ (1910–1930)
Mittwoch 06.07.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Der folgende Vortrag wird in Kooperation mit zusammen mit unserer PartnerInitiative Zentrum für Disablity Studies (ZeDiS) angeboten. Schriftmittler*Innen werden anwesend sein, d.h. verbreitet diese Ankündigung weiter, solltet Ihr potentiell interessierte kennen.

Lucie Storchová ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Philosophischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften und am Institut für Anthropologie an der Faculty of Humanities in der Karls-Universität zu Prag. Sie referiert folgendes:

Obwohl eine breitere konzeptionelle Diskussion sowie konkrete Forschungsprojekte zum Thema in der zentral- und osteuropäischen Geschichtswissenschaft mehr oder weniger fehlen, gehören die Imagination und kommerzielle Ausstellungen des „außerordentlichen Körpers“ (extraordinary body) an der Wende von 19. zum 20. Jahrhundert zu entscheidenden Phänomenen in der Entstehung des modernen zentraleuropäischen Nationalismus oder liberalen Kapitalismus. In meinem Exposé möchte ich auf den diskursiven Rahmen dieser Prozesse fokussieren, im besonderen auf Intersektionen von Gender und anderen Differenzdiskursen (als Klasse, Nation, Heteronormativität oder körperliche Differenz) in Autobiographien, die von renommierten „armlosen Wundern“ nach dem Ersten Weltkriege verfasst worden sind. Das autobiographische Selbst sowie der außerordentliche Körper in seiner Materialität lassen sich in diesem Sinne als textuelle Effekte der vielseitigen diskursiven Interaktion interpretieren, die unter anderen auch derzeitige Vorstellungen von ökonomischer Produktivität mitgestalteten. Die Lebensbeschreibung von Carl Hermann Unthan, dem populären und erfolgreichen armlosen Violinisten, wurde in Stuttgart unter dem Titel „Das Pediscript. Auszeichnungen aus dem Leben eines Armlosen“ in 1925 herausgegeben und diente als eine intertextuelle Basis für andere Super-Crip Autobiographien der Zeit. Als eine tschechische Parallele wähle ich ein einige Jahre später erschienenes Buch von František Filip „Bezruký Frantík píše o sobě“ („Armloser Franz schreibt von sich selbst“) aus. Eine entscheidende Rolle in der Produktion des autobiographischen Selbst spielte in beiden Texten der mit der Imagination von „ökonomischer Nützlichkeit“ und „ehrenvollem Lohn“ verbundene Diskurs der körperlichen Zwangsfähigkeit/Zwang zu nichtbehinderter Körperlichkeit (compulsory able-bodiedness), die als verbindlich auch für normates – im Sinne wie Rosemarie Garland-Thomson den Begriff benutzt – betrachtet wurden. Die Männlichkeit des außerordentlichen Körpers überschneidet 12 sich in beiden Lebensläufen auch mit Motiven der „bürgerlichen Tüchtigkeit“ und öffentlichen Engagiertheit – sei in Kriegsbestrebung in Falle Unthans oder in der Ideologie des Republikanismus und liberalen Kapitalismus bei Filip. Im abschließenden Teil meines Vortrages konzentriere ich mich auf Nachleben beider Lebensbeschreibungen seit den 1950ern. Die Autobiographie von Carl Unthan wurde am Ende der 60er Jahre von Joachim Piechowski neu bearbeitet; der Verfasser akzentuierte in seinem „dokumentarischen Roman“ „Der Mann ohne Arme“ solche Motive wie die zufriedene Ehe Unthans (mit dem Gewicht auf die Liebe für die innere Schönheit usw.) oder das Engagement des armlosen Violinisten im nachkriegszeitlichen Pazifismus und in der entstehenden Bewegung für Behindertenrechte. Paradoxerweise, ergänzen wir, weil das autobiographisches Selbst in der originellen Lebensbeschreibung Unthans sich gerade durch Strategien des „Anpassens“ (passing) und explizite Ablehnung der „Krüppelidentität“ charakterisieren lässt – es handelt sich um eine Art der Annihilation der eigenen körperlichen Differenz, die sich auf der hervorgehobenen Gender- und Klassenormalität des Autors und auf seine bürgerliche Arbeitsmoral und Anstrengung in Name des Vaterlandes und sein Kriegsansatzes gründete. Noch signifikanter für den aktuellen Zustand in postkommunistischen Ländern scheinen tschechische Aufsätze und Bücher über „den armlosen Franz“ aus den letzten zwei Dekaden. Die Person und das autobiographische Selbst dieses renommierten „armlosen Wunders“ funktionierte mehr als 50 Jahre nach seinem Tod als ein Super-Crip-Held der entstehenden neoliberalen Ideologie, als ein Beispiel eines idealisierten Unternehmers und Selfmademans, der nicht nur alle Äußerungen des Mitleids sondern auch das ganze „veraltete“ Fürsorgesystem des kommunistischen Sozialstaates ablehnt und verneint.

Der AStA und die Ignoranz gegenüber eigenen Rassismen in einem misslungenen „Image-Film“

Dass es heute nicht mehr en vogue ist, politisch korrekt zu sein – bedauerlich genug – ist eine Sache. Dass es aber möglich ist, aus einem Unigremium heraus die plattesten rassistischen, (hetero-)sexistischen und klassistischen Stereotype in einem Image-Film zu verbraten, ist schlichtweg ein ungeheuerlicher Skandal.
Der Film „Inside AStA“ und die Positionen, die AStA Vertreter_innen dazu einnehmen, treibt die traurige Realität des gesellschaftlichen Alltagsrassismus auf die Spitze.

Der Inhalt dieses Films ist nichts als Diffamierung. Es geht los mit den „farbenprächtig gewandeten afrikanischen Reinigungskräften“, die „gospelnd ihrer Arbeit“ nachgehen und als urgewaltige Furien repräsentiert werden. Allein darin stecken sowohl im (Ankündigungs-)Text als auch in den entsprechenden Bildern des Films jede Menge diskriminierende Repräsentation. Das erschließt sich aber leider den Verantwortlichen nicht, auch wenn die Kritik schon vor der Premiere am 3. Februar pointiert ausformuliert wurde (siehe dazu auch der braune mob gew-studis wochenendseminar hwp-netz indymedia).
Sie scheinen nichts über die Kolonialgeschichte der Hamburger Universität zu wissen, wenn sie diese Szene in den „prächtigen Kuppelsaal des historischen Hauptgebäudes“ legen und vorher den Hafen einblenden. Sie schrecken auch nicht davor zurück, dass sie damit Bilder von singenden Sklav_innen auf Baumwollfeldern heraufbeschwören, was sicher nicht als lustig durchgehen kann. Bedauernswert einerseits, wenn nicht voraus gesetzt werden kann, dass sich Studierende (die sich gerne als Bildungselite bezeichnen lassen) mit der Kolonialgeschichte Hamburgs auseinander gesetzt haben; sich dann aber mit der Kritik konfrontiert auch noch als äußerst beratungsresistent auszuzeichnen, ist das Andere.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wird im Film als nächstes die privilegierte Stellung der (anscheinend ausschließlich weißen) AStA Mitarbeiter_innen wirkungsvoll in Szene gesetzt, welche ihrer politisch-intellektuellen Arbeit des Flyer-Verteilens nachgehen wollen. Sie werden von den schwarzen Putzkräften (die laut der ursprünglich veröffentlichten und später geänderten Version des Ankündigungstextes selbstverständlich Afrikanerinnen sein müssen) mit Gewalt daran gehindert, was naturalisierende Bilder weckt. Der Kommentar des Sprechers, die AStA Vertreter_innen stellten „sich der Urgewalt von Werktätigkeit und Folklore entgegen“ (O-Ton aus dem Film), macht die Fronten schnell klar: Auf der einen Seite die nur als körperliche Arbeitskraft brauchbare, nur zum Teil zähmbare Wildheit, die versucht, die gebildeten Weißen auf der anderen Seite an ihrer wichtigen intellektuellen Tätigkeit zu hindern. Wünschenswert wäre es, wenn sich der AStA damit auseinandersetzt, dass die Putzkräfte an der Uni für einen Hungerlohn verdammt harte Arbeit leisten müssen. Stattdessen werden aber die rassistischen Strukturen, die auch das Studieren und Arbeiten an der Universität Hamburg prägen, vom AStA „liebevoll“ stilisiert.

Nach dieser skandalösen Einstiegsszene jagt ein Stereotyp das andere: Die ewig gestrigen Linken (natürlich männlich, langhaarig, bärtig und mit schlechter Artikulation), die immer noch gegen Brokdorf sind, das knutschende Pärchen in der Materialkammer, das natürlich hetero sein muss oder der Wohnungslose, der an der Uni in Mülleimern wühlt. Auch hier wird wieder „liebevoll“ stilisiert, was der schönen heilen Uniwelt täglich den Spiegel gesellschaftlicher Realität vorhält und eigentlich Anlass für Reflektion und Solidarität geben sollte. In diesem „Image-Film“ bleibt jedoch alles auf seinem gesellschaftlich zugewiesenen Platz (entlang von Hautfarbe, Geschlecht und Klasse), wird weiter aufrecht erhalten und fortgeschrieben. Doch bereits eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihren Kritiker_innen scheint zu hoch für die AStA Leute und wird abgeblockt.

Uns stellt sich die Frage, was dieser Film eigentlich soll. Satire kann er nicht sein – auch wenn der Macher Timo Hempel es gerne so sehen würde. Allein es fehlt ihm die dafür nötige geistige Durchdringung der Sachverhalte – das hat er schon durch die platten, bruchlosen Reproduktionen von Stereotypen bewiesen. Seine Rechtfertigung, der Film sei voller Insider-Witze, wirft bei uns weiterhin die Frage auf, ob zur Verbreitung von unverständlichen Witzen auf dem Niveau von Mario Barth tausende Euros der Studierenden ausgegeben werden müssen. Denn auch die Referent_innen des AStA selbst werden in dem Film diffamiert und als inkompetent dargestellt, weil sie keinerlei nützliche Hilfestellung geben können. Verknüpft wird das Ganze dann recht zusammenhangslos mit der Botschaft: „AStA, der kriegt alles für Sie auf die Reihe“, was offensichtlich hinkt. Was der AStA mit seinem Image-Film aber unseres Erachtens tatsächlich hingekriegt hat ist, einen tiefen Einblick zu liefern, wie es politisch um ihn bestellt ist: nämlich extrem finster.

Die AG Queer Studies war mit einigen Leuten vor Ort und erklärt hiermit ihre Solidarität mit dem Black Students Network und allen anderen Gruppen oder Einzelpersonen, die auch gegen diesen Film und dabei waren, um gegen Rassismus aufzustehen und sich zu Recht lauthals zu empören. Gerne geben wir an dieser Stelle folgenden Aufruf weiter, welcher uns durch die GEW-Studis erreichte:

Am kommenden Montag (07.02.) um 18:00 Uhr findet im Subkultur Paranoia (VMP8, K57) ein Treffen in Sachen AStA-Image-Film und Konsequenzen daraus statt, zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind.

Wir fordern die sofortige Entlassung von Timo Hempel als den so genannten „Sonderbeauftragten für Kultur“.
Außerdem fordern wir den AStA auf, sich über alle Kanäle für seine rassistischen und sexistischen Machenschaften zu entschuldigen. Die Idee, diesen Film bei Orientierungseinheiten allen Erstsemester_innen zu zeigen, um den AStA bekannt und beliebt zu machen, ist nicht nur absurd, sondern auch menschenverachtend.
Last but not least, muss die Summe der studentischen Gelder, die auf dieses Schmierentheater verwendet wurde, offen gelegt und am besten von den Verantwortlichen zurück gefordert werden, um für sinnvolle Projekte gegen Rassismus und für mehr politische Bildung (vor allem auch für die Verantwortlichen im AStA selbst) eingesetzt werden zu können.

In tiefer Erschütterung und mit einer gehörigen Portion Wut,
Die AG Queer Studies

weitere Nachbereitungen der Ereignisse:

Nachtrag:
Der AStA hat anscheinend dafür gesorgt, dass das Video bei YouTube rausgenommen wird. Folgende Nachricht dazu hat uns eben erreicht:

Es gibt Neuigkeiten: YouTube hat aus „Urheberrechtlichen Gründen“ das Video von der Filmpremiere herausgenommen. Man kann sich die Videos (zur Zeit) nicht mehr angucken!!
Hahahah da versucht wohl der Asta durch Zensur bzw. durch formal-rechtliche Schritte die eigene rassistische Moppelkotze zu vertuschen….! Echt Peinlich!!!! (Bitte verbreitet diese „frohe Botschaft“)
Es wird bestimmt Leute geben die die Videos bald wieder online stellen werden…..!

ANTIRASSISMUS LÄSST SICH NICHT ZENSIERN!!!

Außerdem scheint der AStA zu denken, dass sich der Protest schon wieder gelegt hat. Dem ist aber nicht so!
Wir hatten heute ein sehr produktives Treffen und halten euch über baldige Aktionen auf dem Laufenden. Wer noch dazu kommen möchte, kann gerne nächsten Montag (14.02.) wieder um 18 Uhr im Subkultur Paranoia (VMP8, K57) dabei sein.

Vortragseinladung: 13.12.2010: Cripping Neoliberalism

Katerina Kolarova
Cripping Neoliberalism: Challenges of the Neoliberal Governance of Disability (Vortragssprache ist Deutsch)
Montag, 13.12.2010, 16:30, Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude, Flügelbau West) 221

Unsere PartnerInitiative ZeDiS bietet Montag in ihrer sonst schon empfehlenswerten Ringvorlesung ein Highlight: Katerina Kolarova aus Prag, welche auch schon zu anderem Thema bei uns eingeladen war, referiert über Neoliberal Governance of Disability.

Vortragseinladung 01.12.2010: Doing Difference unter Linux

Silke Meyer
Doing Difference unter Linux
Mittwoch, 01.12.2010, 19ct, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Im Sinne „‚queerer‘ ‚Ökonomiekritik'“ stets auf der Suche nach Möglichkeiten, kapitalistische Verhältnisse zu dezentrieren, scheinen die Ideen s.g. Free/Libre/OpenSource-Software Verfahren eines anderen Wirtschaften zu eröffnen. Wird noch andernorts über die Chancen reflektiert, haben wir uns Silke Meyer, Verfechterin und Kritkerin „freier“ Software aus Berlin eingeladen, die Bereiche aufzudecken, in denen dieses Wirtschaften leider gar kein so anderes ist.

Die Referentin zu ihrem Vortrag

Dem „freien“ Betriebssystem Linux wird oft ein fast subversiver Charakter zugeschrieben: Die alternative Software soll emanzipativen Ansprüchen gerecht werden, Computernutzer_innen von ökonomischen und rechtlichen Zwängen befreien. Die Philosophie hinter Linux sieht Computerprogramme als öffentliche Güter an, die gemeinwohlorientiert und von allen Interessierten gemeinsam entwickelt werden sollen. Kritische Stimmen zeigen jedoch, wo der Anspruch im Widerspruch zur Praxis steht, in der Linux entwickelt und vermittelt wird. Mich interessiert die konkrete Praxis, in der Linux entwickelt und vermittelt wird und die Frage nach Distinktions- und Ausschlussprozessen in dieser Praxis. Im Vortrag stelle ich Ergebnisse meiner teilnehmenden Beobachtung in Linux User Groups vor, die innerhalb der Community zentrale Plattformen für den angestrebten offenen Wissenstransfer sind. Dabei wird deutlich: Weder die Technologien selbst noch der Umgang mit ihnen liegt jenseits von Geschlechtergrenzen – Geschlecht ist aber auch bei weitem nicht das einzige K.O.-Kriterium für Neulinge…

PartyProgramm

Wie Ihr mitbekommen haben werdet, feiern wir am 19.06.2010 ab 21 Uhr im Centro Sociale mit Euch ein rauschendes Fest:

Hier Folgt das qualitätativ wie quantitativ überwältigende Programm:

Christian Schultz: Erziehung zur Eigenverantwortung

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenIn unserer Podcastreihe bleiben wir beim Thema Erwerbslosigkeit. Christian Schultz (Dipl. Psych., Soz.Päd.) leitet die Solidarisch-Psycho-Soziale-Hilfe (SPSH), eine Beratungsstelle für Erwerbslose, und war Lehrbeauftragter bei unser Partnerinitiative „Menschenbilder in der Psychologie“. In seinem Vortrag „Erziehung zur Eigenverantwortung – wie Erwerbslose neoliberal regiert werden“ bezieht Schultz die foucaultschen Überlegungen zu neoliberaler Gouvernementalität auf die Hartz-Gesetze. Er zeigt, wie Erwerbslose in diesem Rahmen zu Unternehmer_innen ihrer Selbst erzogen werden, durchaus auch unter Einsatz von Sanktionsmaßnahmen.

[podcast]http://www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/podcast/schultz_2010_CC.mp3[/podcast]
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Wenn im Vortragstitel von ‚Regieren’ gesprochen wird, ist damit mehr und anderes gemeint als aktuelle tagespolitische Auseinandersetzungen. Der Vortrag orientiert sich vielmehr am Foucault’schen Begriff der Regierung und seinen Gouvernementalitätsanalysen. Er konstatiert einen tiefgreifenden Wandel in der Art und Weise, wie Erwerbslose regiert werden, der in den Hartz-Gesetzen seinen pointierten Ausdruck findet. Der Kern dieses Wandels, so die These, ist der Versuch, auf die Subjektivität der Erwerbslosen zuzugreifen und diese neu zu formieren im Sinne des neoliberalen Leitbilds – dem Unternehmer seiner selbst. Es geht also um ein Erziehungsprogramm, in dem die Freiheit des Einzelnen beschworen wird, aber mit Zwangsmitteln gegen ihn durchgesetzt werden muss. Ein paradoxer Versuch, der schwere Kollateralschäden u.a. am Sozialstaat und seinen Prinzipien billigend in Kauf nimmt.

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