Archiv der Kategorie: Aktivismus

Petition Stoppt Racial Profiling

Auf der Petitionsseite des Bundestages kann derzeit die Petition „Bundespolizei — Äußere Merkmale nicht als Grund für Identitätskontrollen und Durchsuchungen“ unterzeichnet werden. Darin geht es um Racial Profiling durch die Polizei, also um verdachtsunabhängige Kontrollen von Personen of Color. Racial Profiling steht so zwar weder im Gesetz und auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat kürzlich festgestellt, dass die Praxis nicht rechtmäßig ist. Weil staatliche Institutionen von strukturellem Rassismus durchzogen sind, ist sie aber trotzdem Alltag. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG) fordern konkrete politische Schritte zu unternehmen, um Racial Profiling in Deutschland abzuschaffen. Mit eurer Unterschrift könnt ihr einen Teil dazu beitragen, denn wenn innerhalb der nächsten zehn Tage 50 000 Unterschriften zusammenkommen, wird die Initiative vor den Petitionsausschluss geladen und das Thema bekommt mehr Öffentlichkeit.

Mehr Infos zum Thema:
Kampagenenseite: www.stoppt-racial-profiling.de
ISD Online: Stoppt Racial Profiling
iheartdigitallife.de: Das bisschen Solidarität

Offener Brief für den Erhalt des Zentrums für Disability Studies

Im Folgenden möchten wir einen Offenen Brief dokumentieren, den wir zur Unterstützung des Zentrums für Disability Studies (ZeDiS) geschrieben haben. Das ZeDiS freut sich sicherlich auch über weitere Wortmeldungen in dieser Sache:

Sehr geehrte Frau Dr. Stapelfeldt, sehr geehrte Frau Körner, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lenzen, sehr geehrte Mitglieder des Wissenschaftsausschusses,

die AG Queer Studies ist eine Arbeitsgruppe an der Universität Hamburg, die unter anderem eine seit über 20 Jahren bestehende interdisziplinäre Ringvorlesung organisiert und sich darüber hinaus gemeinsam mit dem Zentrum für Disability Studies (ZeDiS) und dem Zentrum Gender Wissen für einen Studiengang Intersectionality Studies einsetzt, der Diskriminierung und Benachteiligung in der Gesellschaft thematisieren und interdisziplinär untersuchen will.

Wie wir erfahren haben, ist der Bestand des ZeDiS an der Universität Hamburg über das Ende der gegenwärtigen Projektförderung hinaus nicht gesichert. Dabei leistet das ZeDiS seit nunmehr sieben Jahren mit seinen Veranstaltungen und seinem Lehr- und Beratungsangebot einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems und zur Etablierung der Disability Studies im deutschsprachigen Raum.

Die Disability Studies sind ein junges, aber international bereits etabliertes Forschungsfeld, welches das Thema Behinderung nicht mehr mit einem defizitorientierten, oft hauptsächlich medizinischen Zugang erforscht, sondern die Barrieren und Hindernisse in der Gesellschaft insgesamt interdisziplinär untersucht. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien existieren bereits zahlreiche Institute und Lehrstühle für Disability Studies und auch im deutschsprachigen Raum sind inzwischen in Berlin, Bochum, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Marburg sowie in Innsbruck und Zürich Lehr- und Forschungstätigkeiten zu verzeichnen. Eigenständige Forschungseinrichtungen zu diesem Thema bestehen aber derzeit nur in Köln mit der Internationalen Forschungsstelle Disability Studies und an der Universität Hamburg mit dem Zentrum für Disability Studies. Damit zählt die Universität Hamburg zu den führenden Hochschulen in diesem Bereich im deutschsprachigen Raum. Das ZeDiS hat in den vergangenen Jahren ein umfangreiches Lehrangebot sowie mehrere wissenschaftliche Tagungen organisiert und einen Nebenfachstudiengang in Disability Studies entworfen. Gemeinsam mit der AG Queer Studies hat das ZeDis den Workshop „Queer meets Disability“ mit Prof. Robert McRuer (George Washington University) und Dr. Heike Raab (Universität Innsbruck) veranstaltet. Weitere Veranstaltungen und wissenschaftliche Sammelbände sind in diesem Arbeitszusammenhang bereits geplant.

Es erscheint uns daher um so unverständlicher, dass die Existenz des ZeDiS an der Universität Hamburg nicht nachhaltig gesichert ist und sogar vor dem Ende steht. Wir möchten Sie hierbei an einen Fehler der Vergangenheit erinnern: Die Universität Hamburg zählte zu den ersten Universitäten, die einen Studiengang in Gender Studies einführten. Nach einem guten Start des interdisziplinären und hochschulübergreifenden Studienprogrammes wurden vergleichsweise geringe finanzielle Mittel nicht mehr zur Verfügung gestellt, so dass der Studiengang nach wenigen Semestern wieder abgeschafft wurde. Mit dem Zentrum für Disability Studies würde die Universität Hamburg wiederum eine Vorreiterrolle in einem wichtigen Forschungszweig aufgeben.

Hiergegen protestiert die AG Queer Studies! Wir möchten Sie dringend darum bitten, die Forschung und Lehre im Bereich der Disability Studies an der Universität Hamburg langfristig zu verankern. Dazu ist eine entsprechende langfristig gesicherte Finanzierung notwendig. Sie würden damit nicht nur für mehr Inklusion im Hochschulbereich sorgen und damit der gesellschaftlichen Verantwortung von Universitäten in Deutschland Rechnung tragen, sondern auch der Wissenschaft in Hamburg einen Dienst erweisen: Sorgen Sie für den Erhalt des ZeDiS!

Mit freundlichen Grüßen

AG Queer Studies

Weitere interessante Veranstaltungen

Zentrum für Disability Studies (ZeDiS)
Behinderung ohne Behinderte!? Perspektiven der Disability Studies
Montags 16:30-18:00 Edmund-Siemers-Allee 1 Westflügel („ESA, linker Flügelbau“) Raum 221

Menschenbilder in der Psychologie
Der ganz normale Wahnsinn? : Menschenbilder zwischen “Norm” und “Abweichung”
Dienstags 18:15-19:15 (Vortrag) & 19:20-[openend] (Diskussion), Von-Melle-Park 5 („WiWi Bunker“) Raum 4098

Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg (LSF), Rikki Beadle-Blair
Workshop: St. Petersburg – Film Shorts for Queer Rights
Freitag 19.10., 14.00 – 19:00 und Samstag 20.10, 11.00 – 18.00 Uhr
in den Räumen von Tide, Finkenau 35, 22081 Hamburg
Kosten: 20€, Anmeldung unter 040-348 06 70, Mo-Fr 11.30 -17.30 Uhr

Viele interessante Verantstaltungen beginnen ebenfalls in der kommenden Woche. Wir präsentieren Euch eine kleine Auswahl.

Allerwärmstens empfehlen wir die Ringvorlesung unserer hächstgeschätzen Kolleg*innen von ZeDiS. Das Programm findet Ihr hier: http://www.zedis.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/rvl_winter2012.pdf

Unsere PartnerInitiative „Menschenbilder in der Psychologie“ beschäftigt sich dieses Semestern mit dem Thema „Norm“ und „Abweichung“, insofern könnte besonders dieses Semester transdisziplinärer Austausch mit Queerinteressierten fruchtbar sein. Das Programm befindet sich hier: http://menschenbilder.blogsport.eu/programm/

Dann gibt es auf den anstehenden LSF interessante Filme und Veranstaltungen, pars prototo weisen wir aus den Workshop von Rikki Beadle-Blair hin, näheres zu den Workshops unter http://www.lsf-hamburg.de/filme-und-events/fokus.html

Aufruf zur praktischen Solidarität am kommenden Wochenende: „Menschenrechte auch für Zwitter!“

Inhaltswarnung: medizinische Gewalt/explizite Benennung gewaltsamer medizinischer Praxen im Kontext Intersexualität in der unten zitierten Pressemitteilung.

Die Gruppe Zwischengeschlecht.org ruft für das kommende Wochenende zum Protest gegen Genitalverstümmlung bei intersexuell geborenen Kindern auf. Anlass ist der Kongress der Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Das Bündnis enter_the_gap und die AG Queer Studies schließen sich diesem Aufruf und der Forderung nach einem Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen und „Menschenrechte auch für Zwitter!“ an.

Am Donnerstag um 19 Uhr wird es eine Infoveranstaltung im Kulturkursraum der Uni geben. Wer sich dem Protest anschließen will kommt am Samstag zwischen 10 und 18 Uhr zum Congresscentrum (CCH) und am Sonntag zwischen 11 und 15 Uhr zum Altonaer Krankenhaus (jeweils vor dem Haupteingang). Genauere Informationen findet ihr in der Presseerklärung von Zwischengeschlecht.org.

Die Universität Hamburg war zentral für die Durchsetzung der systematischen Inters*x-Genitalverstümmelungen. Unbeirrbar verteidigten Professoren kosmetische Klitorisamputationen: „Die Orgasmusfähigkeit leidet durch die Klitorisentfernung nicht. Das Organ soll dabei exstirpiert werden.“ Heute noch werden in mindestes 5 Hamburger Kliniken medizinisch nicht notwendige „Genitalkorrekturen“ an Kindern durchgeführt. Diese Woche treffen sich im Congress Center Hamburg zur „DGKJ 2012“ mehrere verantwortliche Medizinerverbände.

Betroffene und Unterstützende protestieren und fordern Aufarbeitung!

  • Do 13.09.2012 19:00h INFOABEND im Kulturkursraum der Universität
    Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker” Eingang AStA Trakt)
    „Inters*x-Genitalverstümmelungen in Hamburg – Geschichte und Gegenwart“
    Vortrag & Diskussion mit Markus Bauer (Zwischengeschlecht.org)
  • Sa 15.09. 10-18h FRIEDLICHER PROTEST „DGKJ 2012“ Congress Center Hamburg CCH
    Am Dammtor / Marseiller Str., 20355 Hamburg, vor dem Haupteingang
  • So 16.09. 11-15h FRIEDLICHER PROTEST Altonaer Kinderkrankenhaus AKK
    Bleickenallee 38, 22763 Hamdem Haupteingang

„In der Regel wird die Klitorisreduktionsplastik in Deutschland im ersten Lebensjahr durchgeführt.“ (DGKJ-Leitlinie 027/047 „Adrenogenitales Syndrom“, Evidenzstufe: S1 = niedrigste)

Etwa jedes 1000. Kind wird mit „atypischen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren (sog. Zwitter, Hermaphroditen, Inters*xe). Bis heute werden diese Menschen zu 90% als Kleinkinder kosmetisch genitaloperiert. Allein in Deutschland wird JEDEN TAG in einer Kinderklinik mindestens ein wehrloses Kind irreversibel genitalverstümmelt – auch in Hamburg.

Historisch waren die Universität Hamburg und ihre Kinderkliniken das 2. wichtigste Zentrum in Europa zur Durchsetzung der systematischen Genitalverstümmelungen an Inters*x-Kindern, und in Sachen kosmetische Klitorisamputationen das wohl unbeirrbarste. Prof. Jürgen Bierich behauptete bis mindestens 1971, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Orgasmusfähigkeit durch Klitorisentfernungen nicht beeinträchtigt werde. Bis mindestens 1976 wurde an der Uni Hamburg gelehrt: „In der Kinderheilkunde ist die Indikation zur Klitorektomie gegeben, wenn […] bei Mädchen ein übermäßiges Wachstum der Klitoris stattfindet.“

„Indiziert ist die Korrektur auch aus ästhetisch-psychologischen Gründen. Ziel ist die Positionierung des Meatus urethrae an der Glansspitze.“ (DGKCH-Leitlinie 006/026 „Hypospadie“, Evidenzstufe: S1 = niedrigste)

Heute noch sind in Hamburg medizinisch nicht notwendige „Genitalkorrekturen“ an wehrlosen Kindern an der Tagesordnung, etwa im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), dessen Ableger Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) und in den Privatkliniken Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmsstift, Asklepios und Helios Mariahilf.

In dieser Woche versammeln sich in Hamburg zur „DGKJ 2012“ zwei der hauptsächlich verantwortlichen Genitalabschneider-Standesorganisationen, nämlich die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH), um möglichst ungestört neue „Verbesserungen“ ihrer menschenrechtswidrigen „Behandlungen“ zu propagieren.

„Ein uneindeutiges Genitale kann eine erhebliche psychosoziale Belastung der Eltern und der Familie bedeuten.“ (DGKJ-Leitlinie 027/022 „Störungen der Geschlechtsentwicklung“, Evidenzstufe: S1 = niedrigste)

Wir wollen bei diesen täglichen Genitalverstümmelungen vor unserer Haustüre nicht mehr länger tatenlos zusehen!

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org, bestehend aus Betroffenen und solidarischen Nicht-Zwittern, kämpft seit 5 Jahren gegen kosmetische Genitaloperationen in Kinderkliniken – und wird mit Unterstützung von enter_the_gap! und der AG Queerstudies vor Ort in Hamburg über diese menschenrechtswidrigen Praktiken informieren.

Und am Wochenende vor dem Kongress und dem Kinderkrankenhaus der Universitätsklinik friedlich protestieren – gegen die GenitalabschneiderInnen und gegen die Untätigkeit von Politik und Justiz bei diesem fortdauernden Verbrechen gegen die Menschlichkeit!

„Zudem bietet die operative Korrektur von der männlichen in die weibliche Richtung weit weniger Schwierigkeiten als umgekehrt.“ (DGU-Leitlinie 043/029 „Störungen der s*xuellen Differenzierung“, Evidenzstufe: S1 = niedrigste)

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie „Menschenrechte auch für Zwitter!“.

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Workshop: Mehrfachpositionierungen – im Kontext von rassistischen und sexistischen Strukturen

Wir freuen uns, auch bei der Bekanntmachung dieses neuen workshops im Rahmen der Aktionswochen von enter_the_gap! unterstützen zu dürfen! Er wird schon am kommenden Samstag stattfinden!

 

Mehrfachpositionierungen – im Kontext von rassistischen und sexistischen Strukturen

 

Samstag, 15. September 2012, 11-16 Uhr, im Curio Haus, Rothenbaumchaussee 15

Die Veranstaltung richtet sich nur an FLTI* of Color / Schwarze FLTI* / FLTI* mit Migrationsgeschichte.

 

Rassismus, (Hetero-)Sexismus und Transphobie sind in Deutschland gesellschaftliche ‚Normalität‘ und gehören zur Lebenswelt und Alltagserfahrung von FLTI* of Color / Schwarze FLTI* / FLTI* mit Migrationsgeschichte. Als gesellschaftliche Machtverhältnisse bewirken Rassismus und Sexismus Benachteiligung, Ausgrenzung und Gewalt. Sie bestimmen das Wissen und die Bilder über markierte Menschen und legen damit auch fest auf welche Weise wir uns selbst und einander wahrnehmen.

Sowohl in heteronormativ geprägten Gruppen als auch in von Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft dominierten feministischen Zusammenhängen werden häufig die Thematisierung diese Mehrfachpositionierungen und Erfahrungswelten ausgeblendet oder reflexartig abgelehnt.

 

Vor diesem Hintergrund richtet sich dieser Workshop ausschließlich an Personen mit eigenen Rassismus- und Sexismuserfahrungen. D.h. an Menschen, die in Deutschland aufgrund ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer ethnischen und/oder religiösen Zugehörigkeit oder ihrer Sprache mit Rassismus und aufgrund ihres Geschlechts und/oder sexuellen Orientierung mit (Hetero-)Sexismus und Transphobie konfrontiert sind.

 

Ziel des Workshops ist es, kollektiv einem Raum zu gestalten, in dem es möglich wird, die verschieden erlebten und erfahrenen (Mehrfach-) Diskriminierungen zur Sprache zu bringen.

Im Verständnis einer subjektorientierten politischen Bildungsarbeit werden wir, mit Lust und Bewegung, uns unser Wissen, unsere Potenziale und unsere Handlungsstrategien bewusst machen, im Gruppenprozess reflektieren und erweitern.

In diesem Sinne können Handlungsspielräume und Alternativen für individuelle und kollektive Politisierung und Stärkung sichtbar gemacht werden.

 

 

Leitung: Nissar Gardi (Karano, GEW)

Maximal 18 Teilnehmende möglich. Um Anmeldung unter Workshop-RS@gmx.de wird gebeten.

FLTI* steht für FrauenLesbenTransIntersex Personen

Der Zugang zum Raum ist barrierefrei.

Wider den Aufklärismus

Was bisher geschah: Das Buchholzer Wochenblatt durckte am 21.7..2012 auf Seite 8 eine Leserzuschrift zum Kölner Beschneidungsurteil im Artikelteil. Es handelte sich letztlich um philosophisch verpackte rassistische[3] Äußerungen, beispielsweise mit solch ‚durchdachten‘ Sätzen wie: „Die Juden und die Moslems haben den Quantensprung in die Moderne verpasst.“ Die AG Queer Studies konnte und wollte dies nicht unkommentiert lassen, denn Rassismuskritik ist uns ein Anliegen, Philosophie (einigen) ein Vergnügen. Und so schrieben zwei QueerAG-mit-Cyborgs Leser*innenbriefe, die im folgenden zu einem Text zusammengefügt wurden:

Philosophische Untiefen

Über einen Zusammenhang zwischen Vorhaut und Vernunft diskutieren zu müssen, wirft die Frage auf, mit welchem Organ da eigentlich gedacht wird. Und in der Tat ist auch am vorliegenden Text entscheidend, was fehlt.

Offensichtlich wird das Christentum bei der (scheinbaren) Religionskritik komplett ausgespart. Dabei war das Christentum die unmittelbare Gegnerin der (modernen) Naturwissenschaft und es ist diese Religion welche hierzulande immer noch staatliche wie arbeitsrechtliche Förderung genießt.

Wer „Körperliche Unversehrtheit“ als hohes Gut ansieht, sollte sich zunächst gegen Zwangsoperationen an intersexuellen Menschen einsetzen, denn bei sogenannten „geschlechtsangleichenden Operationen“ an Kindern handelt es sich unstrittig um schwere und leidvolle Eingriffe.

Wieso aber wird dies nicht thematisiert? Vielleicht weil sich darüber kein Anderes konstruieren lässt. Im konkreten Fall sind die Anderen(tm) (wörtlich) „die Juden“ und „die Moslems“. Mit derartig groben Verallgemeinerungen läßt sich kaum eine sinnvolle Aussage treffen. Beispielsweise der Beitrag Moses Mendelssohns zur deutschsprachigen Aufklärungsphilosphie hätte in solch einem Gegensatz keinen Platz. Der philosophischen Richtigkeit halber sei auch kurz darauf hingewiesen, dass das komplizierte Verhältnis von Aufklärung und Humanismus keine Gleichsetzung zulässt und sich auch der Stalininismus hierzu zählte.[1]

Leid mit den Mitteln der Moderne und in Folge der Aufklärung scheint keine Bedeutung zugemessen zu werden. „Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.“[2] So die Sozialwissenschaftler Adorno und Horkheimer 1947 in dem Werk „Dialektik der Aufklärung“. Dessen Hauptthese, die Aufklärung könne in ihr eigenes Gegenteil – den Mythos – umschlagen, wird in Aufkläristischen Texten wie dem vorliegenden Leserbrief eindrucksvoll illustriert.

Physikalische Metaphern, wie den Quantensprung überlassen wir besser Physiker*innen, die ihn inhaltlich korrekt verwenden können. Die Frage, wie Weltreligionen durchgeplante Veranstaltung einer überschaubaren Gruppe seien, der Verschwörungstheorie. Die Frage, wer nun eigentlich in welchem Jahrhundert steckengeblieben ist, sei der eurozentrischen Geschichtsphilosophie vergangener Jahrhunderte anvertraut. Vergessen wir dabei aber nicht, daß Kant – dessen Kosename Manelchen auch nicht mit E beginnt – in einer kolonialen Zeit situiert rassistische[3] Inhalte produzierte; unkritische Anknüpfungen wären selbst im Sinne der Aufklärung falsch.

Ob den Betroffenen der Zirkumzision die Entscheidung zu ebensolcher vielleicht tatsächlich besser selbst überlassen sein sollte, ist eine Debatte, die zu führen leider durch den rassistischen Impetus vieler Beschneidungsgegner*innen verunmöglicht wird. Fast könnte dem Wochenblatt unterstellt werden, es fische jetzt im Rechtspopulistischen, wobei jedoch ein Leserbrief vorgeschickt wurde; während sich die unbezahlten Kolleg*innen der Freien Radios[4] die Mühe machen, sich Gesetzeskommentare und Urteile zum Thema anzuschauen. Wir fordern die Verantwortlichen auf, ihre moralischen Standards zu überdenken und derartigen Thesen von zudem zweifelhafter Qualität nicht den Raum eines Artikels geben – auch an deutschen Thesen soll die Welt nicht genesen.


[1] Foucault, Michel: Was ist Aufklärung? in: Ders.: Schriften in vier Bänden <Dits et écrits dt> : Bd. 4 1980-1988; Frankfurt/M 2005; hg.v. Defert, Daniel & Bischoff, Michael; S. 687-707. (englische Version im Netz http://foucault.info/documents/whatIsEnlightenment/foucault.whatIsEnlightenment.en.html)

[2] Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung : Philosophische Fragmente; Amsterdam 1947; S. 13.

[3] Zum Rassismusbegriff siehe Birgit Rommelpacher: Was ist eigentlich Rassismus? in: Rassismuskritik, Rassismustheorie und -forschung. Schwalbach 2007, S. 25-38. (online verfügbar unter http://www.birgit-rommelspacher.de/pdfs/Was_ist_Rassismus.pdf)

[4] Freies Sender Kombinat Hamburg (FSK 93,0):Zum Beschneidungsurteil einige unausgewogene Erwaegungen (online verfügbar unter http://freie-radios.net/49897); ausführlicher und tiefgründiger behandelte die Sendung Shalom Libertad das Thema (online verfügbar unter http://freie-radios.net/50164)

Interview mit Do. Gerbig zu enter_the_gap!

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenIm Rahmen unserer Sendung im Freien Sender Kombinat am 6. August 2012 hatten war – passend zum Vortrag von Nadine Lantzsch (Podcast) – Queer-AG-Mitfrau Do. Gerbig als Interviewpartnerin zu Gast, die aus dem enter_the_gap Bündnis berichtete. Das Bündnis entstand in Hamburg im Nachgang des letztjährigen Slutwalks und arbeitet – auch in Reaktion auf die im Vortrag behandelten Kritiken – unter dem neuen Namen enter_the_gap „gegen Sexismus und Verharmlosung von sexualisierter Gewalt“ und „für einen offenen Umgang mit Sexualität und Geschlecht“.

Für Samstag, dem 18. August 2012 von 14:00 bis 17:00 Uhr ruft enter_the_gap zu einer Kundgebung mit Redebeiträgen, Infoständen und Musik vor dem Saturn am Hauptbahnhof (Mönckebergstr. 1) auf. Außerdem sind eine eine Aktionswoche (3.-7. September 2012) und eine Demonstration (8. September 2012) geplant. Aktuelle Informationen zu den Aktionen und zum Diskussionsstand des Bündnisses auf enterthegap.blogsport.de

Weil es so wunderbar zum Thema passt, hier noch der Hinweis auf den Song „She Said No“ (youtube) von Msoke aka Namusoke, den wir im Radio gespielt haben. Der Track ist 2009 auf der CD „Dont’t try me“ erschienen.

[podcast]http://www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/podcast/interview-enter_the_gap.mp3[/podcast]
Download (MP3 10,4 MB 21:44 Min)
Creative Commons License
Dieser Werk bzw. Inhalt ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert.

Forderungspapier zur Reform des Transsexuellenrechts

In Sachen Transsexuellengesetz (TSG) kommt die Politik seit Jahren nicht voran, obwohl das Bundesverfassungsgericht mehr als deutlich gemacht hat, dass die derzeitigen Regelungen mit der Würde und Selbstbestimmung von Trans*Menschen nicht vereinbar und in der Praxis äußerst diskriminierungsanfällig sind. Der bundesweite Arbeitskreis TSG-Reform, an dem über 30 Trans*- und Inter*-Gruppen sowie Einzelpersonen beteiligt waren, hat darum jetzt ein Forderungspapier veröffentlicht. „Die selbstgestellte Aufgabe bestand darin, sich auf gemeinsame, zentrale Forderungen aus den trans* und inter* Communities zur Reform des Transsexuellenrechtes zu verständigen und diese auszuformulieren.“
Gefordert werden die Verwirklichung
 des
 Selbstbestimmungsrechtes
 von
 Trans*‐Personen
 durch
 Abschaffung
 der
 Begutachtung
 und
 des
 gerichtlichen
 Verfahrens
, die Aufhebung
 des
 TSG
 als
 Sondergesetz
 und
 Integration
 notwendiger
 Regelungen
 in
 bestehendes
 Recht, die Möglichkeit der Vornamensänderung und der Änderung des Personenstandes ohne Gerichtsverfahren, ein Ausbau des Offenbarungsverbotes und die rechtliche Absicherung der Leistungspflicht der Krankenkasse. Diese wichtigen Forderungen kann mensch auf der Website der Initiative nachlasen und mit einer Unterschrift auch unterstützen.

Vortragseinladung 2012-01-11: SexarbeiterInnen (+DGS)

Gudrun Greb, Kathrin Schrader (ragazza e.V. Hamburg)
„Die Würde ist unantastbar und das ist auch so“
Vom Überlebenskampf und alltäglichen Grenzverletzungen Drogengebrauchender SexarbeiterInnen
Mittwoch 11.01.2012, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Der Vortrag wird in die Deutsche Gebärdensprache übersetzt; weitersagen

Ragazza ist eine niedrigschwellige und akzeptierende Kontakt- und Anlaufstelle mit einem integrierten Gesundheitsraum/Konsumraum und bietet Hilfen für Frauen, die Drogen konsumieren und der Prostitution nachgehen. Mehr Informationen auf http://www.ragazza-hamburg.de/

Für diesen Verein haben wir Mittwoch deren Geschäftsführerin Gudrun Greb und Kathrin Schrader, Promovendin an der Technischen Universität
Hamburg-Harburg zum Thema Handlungsfähigkeit zu Gast, über Folgendes zu referieren:

In ganz unterschiedlicher Weise erzählen Drogengebrauchende Sexarbeiterinnen von ihrer persönlichen „Abhärtung“, die es ihnen ermöglicht, überleben zu können. Entweder sie sehen sich als „Härtefall“ oder sie negieren existentielle Bedürfnisse, um den Schmerz und die Verletzung nicht spüren zu müssen. Der Konsum von Drogen wird offensichtlich als die einzige zuverlässige Hilfe und Unterstützung wahrgenommen, um den Schmerz und die erlebten Traumata zu bewältigen, weil kein Auffangnetz existiert. „Drogenprostituierte“ sind als Junkiehuren, Abhängige, Kranke und Krankheit verbreitende, unprofessionell arbeitende Prostituierte stigmatisiert. Die Stigmata verschränken sich mit einer restriktiven und punitiven Struktur. Das hat eine verheerende Wirkung auf Drogengebrauchende Sexarbeiterinnen, sie werden kriminalisiert und sind nicht mehr als handlungsfähige Subjekte erkennbar. Inwieweit diese Zuschreibungen und Bilder ihrem Alltag und Selbstverständnis entsprechen, welche Auswirkung die repressive Politik in Hamburg auf Drogengebrauchende Sexarbeiterinnen hat, wird im Vortrag diskutiert.