Radiosendungen im Dezember 2009

Auch im Dezember werden wir wieder zwei der vielen wunderbaren Vorträge, die in unserer Vorlesungsreihe gehalten werden auf FSK, dem freien Radio in Hamburg, senden (93 MHz Antenne, 101.4 MHz Kabel oder überall als Livestream). Zu Beginn des Monats, am 7.12. um 14 Uhr schicken wir einen sehr lohnenswerten Vortrag in den Äther, der bereits im Sommersemseter 2008 bei uns gehalten wurde. Darin gehen Katrin Billerbeck und Nele Bastian der Frage nach, wie, mit welchen Instrumenten und welcher Wissensproduktion Prostitution gegenwärtig regiert wird.

Als zweites Schmankerl haben wir für Euch dann am 21.12., wiederum um 14 Uhr, einen Vortrag von Sophinette Becker in welchem sie die Potentiale und Grenzen des poststrukturalistischen Genderdiskurses kritisch beleuchtet und den Fragen der gesellschaftlichen Einbettung, der Subjekte und der emanzipatorischen Lebenspraxen nachgeht. 

Außerdem gibt es in den Sendungen natürlich wie gewohnt überraschende Musikkombinationen und einige Veranstaltungstipps in Hamburg – reinlauschen lohnt also…

7.12.2009, 14 Uhr auf FSK:

UnterOrdnung der Prostitution. Zur Konstruktion einer Notwendigkeit des Unerwünschten
Katrin Billerbeck und Nele Bastian, Dipl. Soziologinnen, Hamburg

Anfang 2002 trat das von den damaligen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vorgelegte Prostitutionsgesetz (ProstG) in Kraft. Dieses „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ zielt auf eine Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten und beinhaltet die Einklagbarkeit des Lohnes, ein Anrecht auf den Zugang zu Sozialversicherungen sowie ein eingeschränktes Weisungsrecht der Arbeitgeber_innen.

Das ProstG stellt insofern die bislang weitreichendste Umsetzung von Forderungen insbesondere der Prostituierten- und Hurenorganisationen nach einer Annerkennung von Prostitution als Beruf dar. In diesem Sinne betrachten sie diese gesetzliche Liberalisierung als eine positive Etappe in die richtige Richtung, kritisieren jedoch zugleich, dass Prostitution rechtlich nach wie vor nicht wie jeder andere Beruf definiert wird. Denn das ProstG legt als berufsspezifisches Gesetz den Sonderstatus des Arbeitsbereiches Prostitution weiterhin fest. Selbst wenn also Prostituiert_innen mehr Rechte eingeräumt wurden, fällt eine – teilweise auch rigide – Reglementierung dieses Arbeitsbereiches nicht weg. Dies zeigte sich beispielsweise angesichts der massiven Polizeikontrollen im Sexgewerbe im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006.

Angesichts einer viel hervorgehobenen gesellschaftliche Liberalisierung haben wir uns im Rahmen unserer qualitativen Untersuchung gefragt, auf welche Weise, mittels welcher Instrumente und welcher Wissensproduktion Prostitution gegenwärtig regiert wird.

In dem Vortrag wollen wir dieser Frage nachgehen, indem wir als einen unserer Analyseschwerpunkte Betrachtungsweisen des Kunden sexueller Dienstleistungen darstellen. Anhand dessen wollen wir aufzeigen, wie Prostitution zwar als ein unerwünschtes, aber zugleich notwendiges gesellschaftliches Phänomen hervorgebracht und infolgedessen auf spezifische Weise reguliert wird.

Wir verwenden dabei sowohl den Begriff der Sexarbeit, als eine Errungenschaft der Hurenbewegung, als auch den Ausdruck Prostitution, der – ebenso wie Freier oder Zuhälter – mit Assoziationen, Wertungen, Stigmatisierungen, Mythen und Konnotationen verbunden ist. Als solche gesellschaftlichen Erzeugnisse heterogener Diskurse stellen diese Konstruktionen zugleich eine gesellschaftliche Realität dar, in welcher spezifische Wahrheiten machtvoll gesetzt werden.
 

21.12.2009, 14 Uhr auf FSK:

Geschlecht und Sex – wie queer sind die realen Subjekte?
Dr. Sophinette Becker, Leiterin der Sexualmedizinischen Ambulanz, Uniklinik Frankfurt am Main

Der poststrukturalistische Genderdiskurs hat die Auflösung der Geschlechterdifferenz bzw. das Verschwinden der Geschlechter ausgerufen, mal mit mehr, mal mit weniger revolutionärem Pathos. In der Tat erodiert die binäre diskursive Ordnung der Geschlechter – zugleich existiert sie aber fort, selbst in ihren Zerfallserscheinungen. Auch den extremsten Inszenierungen, Maskeraden, Parodien haftet noch das an, wovon sie sich abstemmen. Diese „Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem“ wird ein Thema des Vortrags sein. Die Potenziale und Grenzen des poststrukturalistischen Genderdiskurses werden unter 4 Aspekten diskutiert:

• Geht es ganz ohne Ontologie?
• Geht es ganz ohne Subjekte?
• Gibt es keinen (geschlechtlichen) Körper jenseits seiner Diskursivierung?
• Geht es ohne gesamtgesellschaftlichen Bezug?

Ob die Queer Theory neben ihrer wichtigen Funktion als Kritik an der heteronormativen Definition von Geschlecht und Begehren auch eine emanzipatorische Lebenspraxis beschreibt, soll am am Beispiel von SM diskutiert werden.

Das FSK, eigentlich „Freies Sender Kombinat“, ist unkommerziell und von keinen staatlichen Förderungen abhängig, sondern finanziert sich allein durch Fördermitgliedschaften. Falls ihr mehr dazu wissen wollt, schaut einfach auf www.fsk-hh.org oder lauscht ins Programm auf (93 MHz Antenne, 101.4 MHz Kabel oder als Livestream).