Schlagwort: diskurs

  • Vortragseinladung 2011-06-08: Die Pille

    Eva-Maria Silies
    Erfolgreiche Revolution oder fortgeführte Unterdrückung? Die hormonale Verhütung mit der Pille in der Bundesrepublik der 1960er und 1970er Jahre
    Mittwoch 08.06.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

    Eva-Maria Silies ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Innovations-Inkubator an der Leuphana Universität Lüneburg. Sie referiert Mittwoch über folgendes Thema:

    Nachdem die Pille als neuartiges Verhütungsmittel 1961 in der Bundesrepublik eingeführt wurde, entwickelte sie sich im Verlauf der folgenden Jahre zunächst zu einem sehr nachgefragten Präparat, wurde aber spätestens in den 70er Jahren von vielen Frauen wieder abgesetzt. Nebenwirkungen und befürchtete Langzeitfolgen trugen ebenso dazu bei wie die Ablehnung der Pille als „unnatürliches“ Verhütungsmittel. Heftig diskutiert wurden zudem die Folgen für die weibliche Sexualität: Konservative Kritiker der Pille propagierten, die Pille mache junge Mädchen „hemmungslos“, während Nutzerinnen auch öffentlich die positiven Auswirkungen auf ihre Sexualität beschrieben. Aktivistinnen der Frauenbewegung kritisierten allerdings in den 70er Jahren, die Pille setze die sexuelle Unterdrückung der Frauen fort und sei damit letztlich ein Verhütungsmittel, von dem (wieder) nur die Männer profitierten. Diese verschiedenen Entwicklungslinien und Argumentationsmuster werden in dem Vortrag anhand von zeitgenössischen Quellen und Interviews mit Zeitzeuginnen nachgezeichnet und die Geschichte der Pille in den gesellschaftshistorischen Kontext der 60er und 70er Jahre eingebettet.

  • Vortragseinladung 25.05.2011: Verschwinden des Körpers

    Dr.-Ing. Bernard Robben
    Phantasien vom Verschwinden des Körpers im allgegenwärtigen Computer
    Mittwoch 25.05.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

    Unser mittwöchentlicher Vortrag wird dieses mal von Bernard Robben gestaltet, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Digitale Medien in der Bildung, Informatik, Universität Bremen.

    „Der Cyberspace besteht aus Beziehungen, Transaktionen und dem Denken selbst, positioniert wie eine stehende Welle im Netz der Kommunikation. Unsere Welt ist überall und nirgends, und sie ist nicht dort, wo Körper leben.“ schreibt Jean Perry Barlow in seiner Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace. In dieser Vorstellung der Körperlosigkeit des digital definierten Seins spiegeln sich frühere Phantasmen des Theoretikers der Artifiziellen Intelligenz Marvin Minsky, der davon träumte seine Seele vollständig in den Computer zu laden, um so unsterblich zu werden. Derartige Imaginationen formten auch einen typischen Plot für Science Fiction-Darstellungen, etwa im Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?“ von Philipp K. Dick, den Ridley Scott unter dem Titel „Blade Runner“ verfilmte, oder im Kultfilm „The Matrix“ von Larry and Andy Wachowski. Der Vortrag wird das Auftauchen der Phantasien vom Verschwinden des Körpers im Medium des Computers nachzeichnen, so dass ihre nach wie vor große Faszination sowohl verständlich als auch kritisierbar wird.

  • Vortragseinladung 18.05.2011: Kritik der Psychopathologisierung von Homo-, Trans- und Intersexualität

    Lüder Tietz, M.A.
    Kritik der Psychopathologisierung von Homo-, Trans- und Intersexualität
    Mittwoch 18.05.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

    Gleichwohl es in Geek & Nerdkreisen bekannt „Updating is like russian roulettewith 6 bulletts“ (siehe), kommen Verteilermails ab jetzt von einer neuen Adresse. Sollte diese Ankündigung also über eMail überraschend ausgeblieben sein, wendet Euch einfach an die alte.

    Zu unserem Vortrag von Lüder Tietz, Ethnologe mit Schwerpunkt Kulturwissenschaftliche Sexualitätenforschung, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kulturwissenschaftlichen Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Dozent an der Akademie Waldschlösschen bei Göttingen

    Viele geschlechtliche und sexuelle Praxen, die nicht der Heteronormativität entsprechen, werden weiterhin in den gängigen Diagnoserastern der Psychiatrie und Klinischen Psychologie (Internationale Klassifikation von Krankheiten: ICD-10 und Diagnostisches und Statistisches Manual: DSM-IV) pathologisiert. Die beschriebenen „Krankheitsbilder“ werden kritisiert und auf ihre historische Entstehung hin befragt. Dabei setze ich drei Schwerpunkte:

    • Das Konzept ‘weibliche Seele im männlichen Körper’, die Debatte zwischen Vorläufern der Emanzipations-Bewegung und der Sexualpsychiatrie und die Genese der Konzepte Homo- und Transsexualität;
    • Der zähe Kampf mit der Psychoanalyse und den christlichen ‘Homo-Heilern’ um die Entpathologisierung der Homosexualität;
    • Der Einsatz der Diagnose „Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters“ als versuchte Prävention von Homo- und Bisexualität sowie Transgender. Dabei soll das komplexe Wechselspiel zwischen hegemonialen
      Subjektivierungsbestrebungen und subalternen Entsubjektivierungsversuchen genauer beleuchtet werden.
  • Vortragseinladung 27.04.2011 – Vulva, die große Unbekannte

    Dr. Mithu Melanie Sanyal
    Vulva – die große Unbenannte
    Mittwoch 27.04.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

    HINWEIS: Die Vorlesung findet ab Mittwoch wieder im gewohnten Seminarraum 0079 statt

    Aus Düsseldorf kommt die Kulturwissenschafterin Mithu Sanyal, welche derzeit als Autorin und Journalistin tätig ist. Sie präsentiert uns folgendes thema:

    In unserer Kultur wachsen Kinder in dem Glauben auf, dass Jungen ein „herausragendes Symbol“ (Freud) haben, nämlich einen Penis, während die Genitalien von Mädchen „nur eine Abwesenheit“ (Lacan) bieten. Die Botschaft ist: Wenn du keinen Penis hast, hast du kein „echtes“ Genital. Die Vulva wird als Loch, als Lehrstelle und als Fehlen von etwas beschrieben, was unfassbar ist, wenn man sich dieses hochkomplexe Organ anschaut. Sogar der Name, den wir für sie verwenden – Vagina – bezeichnet medizinisch nur das „Loch“, also die Körperöffnung, die das sichtbare weibliche Genital, die Vulva, mit dem Muttermund etc. verbindet. In meinem Vortrag erzähle ich Geschichten aus der Kulturgeschichte der Vulva und stelle die Frage, was anhand des weiblichen Genitals alles verhandelt wurde. Denn die Vulva wurde nicht etwa übersehen, sondern mit gewaltiger Anstrengung zuerst diffamiert und daraufhin verleugnet bis zu der irrigen und irren Auffassung, sie sei nicht der Rede wert.

  • Vortragseinladung 20.03.2011 – Genderkonstruktionen und Geschlechtertransformationen in antiken Texten

    PD Dr. Silke Petersen
    Genderkonstruktionen und Geschlechtertransformationen in antiken Texten
    Mittwoch, 20. April 2011, 19ct, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) B2

    Am Mittwoch widmen wir uns einem lange vernachlässigten Themenkomplex, der (queeren) Theologie. Denn Silke Petersen ist Dozentin für Evangelische Theologie (Institut für Neues Testament) an der Universität Hamburg. Sie referiert über folgendes:

    Die Rede über die Geschlechterdifferenz hat bekanntermaßen einen weithin konstruierenden Charakter und ist somit auch historischen Wandlungen unterworfen. Der Blick auf antike Texte zum Thema Geschlechterdifferenz kann auch deshalb den Blick auf unsere eigene (neuzeitliche) Wahrnehmung von Gender schärfen. Im Vortrag wird es um antike christliche und pagane Texte gehen, in denen bestimmte Personen (Maria Magdalena, Christus, Tiresias u.a.) ihr Geschlecht zeitweise oder dauerhaft wechseln. Solche Veränderungen sind in einem gesellschaftlichen Umfeld denkbar, in dem die Konstruktionen von „männlich“ und „weiblich“ nicht komplementär, sondern in erster Linie hierarchisch funktionieren – wobei „männlich“ immer die höher gewertete Seite repräsentiert. Gleichzeitig verweisen die Texte auf die Durchlässigkeit von Geschlechtergrenzen in bestimmten Kontexten.

  • Vortragseinladung 13.04.2011 – What men are made of

    Morten Hillgaard Bülow, Marie-Louise Holm
    What men are made of – The construction of concepts of masculinity in research projects about testosterone in Denmark from the 1910s to the 1980s
    Mittwoch 13.04.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

    Aus unserem Dauer-Schwerpunkt der Naturwissenschaftskritik bzw. kritischen Naturwissenschaft präsentieren wir Morten Hillgaard Bülow, PhD Fellow am Medical Museion der Copenhagen University und Mitglied des board of Network for Research on Men and Masculinities (NeMM),
    Dänemarks und Marie-Louise Holm, Forschungsassistentin am Institut für Psychologie und Education Studies der Roskilde Universität, sowie im NeMM tätig. Der Vortrag wird in englischer Sprache gehalten.

    Since the 1920s the chemical substance called testosterone has been characterized as ‘the male hormone’ despite its presence in both male and female gendered bodies. This characterization is common in both the natural sciences’ hormone research, in everyday speech, and in various media presentations. In these contexts, testosterone has been – and is – often used as a metaphor for, or even synonymous with, ‘manliness’ and ‘masculinity’.

    Scientific research about hormones has played a substantial role in linking testosterone to masculinity. From the 1910s onwards this research has influenced conceptions about what to designate as male or female, masculine or feminine, by connecting certain hormones to physical and psychological traits and arguing for a more or less direct causal relation between them. In the public the scientific results have been used in normative discussions about what is a good life for human beings with certain genders. It can be argued that the construction of a connection between testosterone and masculinity has played a significant role in the common perception of gender as consisting of two separate categories, ‘men’ and ‘women’, and in constructing the notion that they are naturally and fundamentally different, having different wishes, skills and abilities which in a heterosexual relationship complement each other. This perception of gender has influenced the view on and medical treatment of people categorised as homosexuals, transsexuals, and other groups of people who in various ways did not meet (the scientifically strengthened) gender expectations.

    In this talk we want to discuss how and why testosterone and masculinity have been connected in scientific research, and what consequences this has had for societal norms about gender and the view upon and medical treatment of different so-called gender/sexual minorities. The talk is based on historical examples from Danish research projects about testosterone from the 1910s to the 1980s.

  • Veranstaltungshinweise SoSe2011

    Zentrum für Disablity Studies (ZeDiS)
    Ringvorlesung “Behinderung ohne Behinderte!?
    Perspektiven der Disability Studies”
    Montag 04.04.2011, 16:00, Edmund Siemers Allee 1 („ESA-Westflügel“) 221

    Assoziation Kritische Psychologie
    Auch Du hast (k)einen freien Willen! – Selbst-organisiertes Seminar zum Thema: Kritisch-psychologische und neurowissenschaftliche Perspektiven auf die Kontroverse um den „freien Willen“
    Donnerstag, 14.04.2011 18:00, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 4098

    AG Menschenbilder
    Philosophie & Praxis
    Freitag, 08.04.2011 12:30, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 4098

    Freies Senderkombinat Hamburg
    Jenseits der Geschlechtergrenzen : Vortragsdokumentation der AG QueerStudies
    Jeden 1. und 3. Montag im Monat 14:00-15:30; 93,0 MHz UKW

    Ins neue Semester startend haben wir eine Menge Veranstaltungshinweise.


    Das ZeDiS beginnt ihre Ringvorlesung am Montag – 04.04.2011 -, ebenfalls mit einer allgemeinen Vorstellung. Das Semesterprogramm findet Ihr hier


    Die Assoziation Kritische Psychologie Hamburg veranstaltet auch dieses Semester einen Lesekreis:

    Auch du hast (k)einen freien Willen!

    Selbst-organisiertes Seminar zum Thema:
    Kritisch-psychologische und neurowissenschaftliche Perspektiven auf die
    Kontroverse um den „freien Willen“

    Seit einigen Jahren deutet sich in der Psychologie ein Paradigmenwechsel
    an: Nich nur an der Uni Hamburg steigt die Bedeutung
    neurowissenschaftlicher Forschung. Deren Anspruch, menschliches Handeln
    durch experimentelle Methoden der Hirnforschung erklären zu können, ist
    derweil nich unumstritten. Angemahnt wird, dass sich in der Psychologie
    ein biologischer Determinismus Bahn bricht, der die Gesellschaftlichkeit
    menschlichen Lebens verkennt und diese stattdessen aus biologischen bzw.
    genetischen Dispositionen ableitet.

    Im Sommersemester möchten wir uns daher in einem selbst-organisierten
    Seminar mit kritisch-psychologischen neurowissenschaftlichen
    Perpsektiven auf menschliches Handeln auseinandersetzen. Ziel ist es,
    nich nur eine Einführung in zentrale Vorstellungen der Kritischen
    Psychologie zu geben, sondern uns auch mit Debatten, wie der Kontroverse
    um den „freien Willen“ zu beschäftigen.

    Auftaktveranstaltung am 14. April:

    Alle Interessierten sind daher herzlich zu einem einführenden Vortrag
    zum Thema am 14. April um 18:00 Uhr ein. Hier werden einige
    Referent_innen eine Einführung in die Kritische Psychologie und die
    Debatte um die Neurowissenschaften geben sowie organisatorische Fragen,
    wie etwa den Semesterplan klären. Wir treffen uns an der Uni Hamburg im
    Wiwi-Bunker (Von-Melle-Park 5), Raum 4098 (4. Etage).

    Wöchentlicher Lesekreis jeden Donnerstag um 18:00 Uhr:

    Darauffolgend werden wir das Seminar wöchentlich anbieten. Wir treffen
    uns jeweils Donnersags vom 18:00 bis etwa 20:00 Uhr, ebenfalls im Raum
    4098 im Wiwi-Bunker (Von-Melle-Park 5). Aktuelle organisatorische
    Informationen, Hinweise zu Literatur und Weiteres findet ihr auf der
    Homepage der „Assoziation Kritische Psychologie Hamburg“:
    www.kripsyhamburg.wordpress.com

    Kontakt:
    kritischepsychologie_hh@yahoo.com | www.kripsyhamburg.wordpress.com


    Zuguterletzt beschäftigt sich das studentische Menschenbilderseminar freitags 12:30, wiwi 4098 dieses Semester mit „Philosophie & Praxis“, welche philosphischen Hintergründe haben scheinbar pragmatische Ansätze der Psycholigie und was waren die äußerst praktischen Folgen scheinbar abstrakter Philosophie? Webpräsenz: www1.uni-hamburg.de/menschenbilder


    Vergeßt auch nicht, daß die AG QueerStudies Vorträge, Veranstaltungshinweise und manchmal mehr jeden 1. und 3. Montag im Monat auf FSK sendet.

  • Das kleine Einmaleins gängiger Abwehrmechanismen: Lippenbekenntnisse, Definitionsmacht und die überempfindlichen Anderen

    Der Image-Film „Inside AStA“ des AStA der UHH wurde vor, während und nach der Erstvorführung am 3.2.2011 im Abaton – welches übrigens durch seine Geschäftsführung entgegen des sonst gepflegten Images von hohem künstlerischem und politischem Anspruch alle Diskussionen vor der Vorführung abblockte – aufgrund der darin enthaltenen Rassismen und Sexismen von vielen Seiten massiv kritisiert (Linksammlungen zum Kontext findet ihr bei den Afrikawissenschaften, auf den stupanews und bei uns). Nun hat der AStA vor einer Woche die Stellungnahme „Zum Thema Rassismus“ veröffentlicht, die auch wir nicht unkommentiert stehen lassen können und wollen.

    Die Stellungnahme des AStA beginnt mit den üblichen inhaltsleeren Worthülsen, wie sie gerne auch von Politiker_innen oder Firmenvorständen in die Welt gesetzt werden, um von eigenen Schwächen abzulenken bzw. ein angeschlagenes Image wortgewaltig herum zu reißen: Es müsse „aktiv gegen Rassismus eingetreten werden“, die „wichtige Diskussion um Rassismus ist eine für eine gerechte Gesellschaft zwangsläufige“. Wenn der AStA dies so sieht, fragen wir uns allerdings, warum er sich der Debatte nicht stellt. Die Diskussion im Rahmen der Filmpremiere wurde nach ca. zwanzig Minuten abgebrochen, an der anschließenden Diskussion in anderen Räumlichkeiten nahm der AStA nicht teil. Das Black Students Network hat in der gleichen Woche als die Stellungnahme erschien, einen Brief an Monty Arnold geschrieben, mit der Bitte an einer Diskussion über den Film teilzunehmen. Dieser wurde am 15.2. auf dem Blog des BSN veröffentlicht. Darauf kam bisher keine Antwort und auch von Seiten des AStA kam kein Gesprächsangebot an die Kritiker_innen.

    Um aber tatsächlich einen „zensurfreien Diskurs“ zum Film und seine rassistischen und sexistischen stereotypen Bilder führen zu können, wäre zumindest eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kritik nötig! Das Statements hinterlässt bei uns das dumpfe Gefühl, eine kaum begründete Zurückweisung der Kritiken entlang der gängigen Abwehrmechanismen gelesen zu haben.

    Der AStA definiert darin Rassismus als „das gleichzeitige Wirken von Vorurteilen und einem ungleichen Machtverhältnis“. Wie es vor diesem Hintergrund möglich ist, den Image-Film als nicht rassistisch zu bezeichnen, ist uns schleierhaft: Wir finden im Film einerseits eine Vielzahl von stereotypen Vorurteilen („Urgewalt“, „Folklore“), andererseits die angesprochenen „ungleichen Machtverhältnisse“, ausgedrückt in der unterlegenen Position der Schwarzen Putzfrauen und die überlegene Position der intellektuellen Weißen, die höheren Arbeiten nachgehen. Der Film bestätigt so genau die aktuell herrschenden ungleichen Machtverhältnisse. Welche Personen haben Spitzenpositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik inne? Und wer verrichtet in unserer Gesellschaft die ungeliebten Arbeiten, die als „nieder“ gelten?
    Laut AStA-Stellungnahme seien besagte Szenen aber keinesfalls rassistisch, sondern stünden in der Tradition des Kabarett. Stur zu behaupten, etwas sei Kabarett bedeutet aber nicht automatisch das Erfüllen der dafür nötigen Kriterien. Auch der Verweis auf nebulöse, nicht näher erläuterte „filmtheoretische Betrachtung“ (etwa durch Timo Hempel selbst?) hilft da nicht wirklich weiter und wirkt eher wie ein Versuch der Einschüchterung oder Beeindruckung der Lesenden durch das Vorgaukeln eines wissenschaftlichen Anspruchs. Nicht jede überspitzte Darstellung dekonstruiert automatisch Stereotype und dass erst erklärt werden muss, wo in ihrem Film damit gebrochen wird, erschwert die Interpretation als Satire erheblich. (Nach der Argumentation des AStA wäre wohl auch Astra-Werbung antisexistisch und die BILD-Zeitung das emanzipatorischste Medium weit und breit.)

    In früheren Äußerungen hat der AStA versucht, sich darauf heraus zu reden, dass der Film voller Insider-Witze sei. Dies beschränkt den Kreis derer, die sich die satirische Komponente des Films erschließen können, natürlich erheblich. Es läuft also letztlich darauf hinaus, dass der AStA sich mit diesem Film über Dinge lustig macht, über die nur die Verantwortlichen selbst lachen können.

    Wie wenig der AStA tatsächlich bereit ist, sich mit Kritik auseinanderzusetzen, demonstriert er in der Stellungnahme durch wiederholte Versuche, mit Gewalt die Definitionsmacht an sich zu reißen: Weil der AStA durch seine Einsichten in filmtheoretische Betrachtung sich selbst bestätigt, dass der Film „klar erkenntlich“ auf das „differenzierte Gegenteil“ von Stereotypen abziele, sei er erwiesenermaßen Kabarett. Und weil der AStA selbst den Film als „nicht rassistisch“ einordnet, sei er das dann auch nicht! Solche Sätze verweisen nicht nur auf völlige Kritikunfähigkeit, vielmehr: dieser selbst-referenzielle Zirkelschluss enthält keinerlei Argumentation und erfüllt nicht einmal die minimalen Anforderungen an eine Auseinandersetzung auf gleicher Augenhöhe.

    Getreu der beliebten Argumentationsfigur „Es ist nicht rassistisch, weil ich kein/e Rassist/in bin und das so bestimme“ weist der AStA auch auf seine angeblichen anti-rassistischen und anti-diskriminierenden Errungenschaften hin – ganz abgesehen davon, dass niemand vor verinnerlichten Rassismen gefeit ist, egal wie lange und intensiv mensch sich mit Rassismus beschäftigt hat. Wenn er sich aber im Rahmen seines hier selbst gelobten Einsatzes gegen Diskriminierung mit der Wiederwahl des „AusländerInnenReferats“ und der Einführung der „Männertage“ brüsten will, müssen wir an dieser Stelle das erste Mal bitter auflachen.
    Genau diese AStA Koalition hat die gewählten Referent_innen des „Aref“ zwei Jahre lang nicht bestätigt und dann durch Verfahrensfragen und Formalia gegen den Willen der Betroffenen dort eine neue Struktur etabliert. Jetzt zu schreiben, dass „auf [ihr] Hinwirken in [ihrer] Legislatur wieder eine rechtmäßige und erfolgreiche Wahl des „AusländerInnenreferates“ durchgeführt“ wurde, ist absurd und anmaßend.
    Programm und Ausrichtung besagter „Männertage“ hatten mit Fußball gucken, Gerätetraining in der Kaifu-Lodge, Kochkurs und dem Vortrag eines nicht unproblematischen Scheidungsväter-Vereins wohl nur weiße heterosexuelle Männer im Fokus. Unseres Erachtens reihen sie sich damit eher in einen bestimmten Jammer-Diskurs ein. Demnach sei der Feminismus und die ganze Frauenförderung daran schuld, dass heute Jungs und Männer ins Hintertreffen geraten seien. Natürlich können auch sie Diskriminierung erfahren, allerdings meist dann, wenn sie sich nicht wie „richtige“ Männer verhalten (wollen).
    Sexismus ist schlecht für Alle, seine Stereotype schränken auch die Möglichkeiten von Männern ein. Aber die Antidiskriminierungsstrategien des AStA kommen gut ohne Kritik an hegemonialer Männlichkeit und den Privilegien von weißen heterosexuellen Männern aus. Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass wir auch genau dieser AStA-Koalition die Abschaffung des FrauenLesben-Rats zu verdanken haben. Damit wurde der gesellschaftliche Backlash gegen den Feminismus ganz aktiv unterstützt und die nach wie vor schlechtere Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft spielt für die politische Arbeit dieses AStA anscheinend kaum eine Rolle.

    Schließlich verfällt der AStA in die Opferhaltung: Es wird der Wunsch nach einem „offenen Dialog ohne vorverurteilende Anschuldigungen“ geäußert, von „Unklarheiten“ gesprochen, außerdem könne in der „Lebensrealität des Bezeichneten Rassismus stattfinden, ohne dass die [andere] […] Person […] ein Rassist sein muss.“ Die Kritiker_innen sind also zu empfindlich, sehen Rassismus, wo keiner ist, verstehen den Witz nicht – auch dies ist eine beliebte Taktik, sich nicht mit Kritik auseinandersetzen zu müssen. Jetzt fehlt nur noch der Tipp an die Kritiker_innen, sich mal ein bisschen locker zu machen.

    Die Bemühungen, sich der lästigen Stimmen zu entledigen, gipfeln in der Pseudoentschuldigung des AStA, er bitte „alle Menschen, bei denen dieser Film für Missverständnisse gesorgt hat, um Entschuldigung“. Dies ist keine Entschuldigung, sondern eine Unverschämtheit! Ein Missverständnis seitens der Kritiker_innen zu konstruieren, ist Selbstüberschätzung, unbegründetes Überlegenheitsgebaren und ein billiger Weg, sich der Verantwortung zu entziehen!

    Unser Fazit:
    Diese Stellungnahme des AStA UHH und ihr verzweifeltes Bemühen sich selbst als wackere Bekämpfer_innen von Diskriminierung darzustellen, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Gruppen, die jeden Tag gegen strukturelle, gewaltförmige und alltägliche Diskriminierung kämpfen.

    Weitere Reaktionen auf die Stellungnahme findet ihr u.a.

  • Vortragseinladung 19.01.2011 – Fanfiction im Internet

    Dr. Ulrike Nolte
    Fanfiction im Internet – Wo Homosexualität der Mainstream ist. Einführung in eine neue, globale Literaturform unter soziologischen, literaturwissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten
    Mittwoch, 19.01.2011, 19ct, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

    Ulrike Nolte ist promovierte Skandinavistin und arbeitet als preisgekrönte Autorin und Übersetzerin in Hamburg.

    Im Laufe der letzten Jahre ist im Internet eine neue Art von Literatur entstanden: die Fanfiction. Dabei handelt es sich um nicht-kommerzielle Geschichten und Romane, die meistens auf bekannten Kinofilmen, Büchern und Fernsehserien beruhen. Inzwischen gibt es eine große, weltweit vernetzte Community, die sich gegenseitig inspiriert und lektoriert. Alleine aus dem Harry-Potter-Universum dürften zurzeit annähernd eine Million Geschichten im Netz stehen. Diese Literatur hat viele neue, experimentelle Formen herausgebracht, spielt mit Interaktivität und Crossover-Effekten. Auch inhaltlich weicht sie gerne von der Norm ab und nutzt die Anonymität des Internets, um gesellschaftlich wenig akzeptierte Fantasien und Lebensentwürfe wie Poly-Beziehungen oder BDSM positiv darzustellen. Besonders gilt das für Homosexualität, denn in vielen Fandoms übertrifft die Zahl queerer Storys tatsächlich die der heterosexuellen. Dieses ungewöhnliche Massenphänomen soll im Laufe des Vortrags näher untersucht werden. Es gibt eine Einführung in die Welt von Slash und Femmeslash, von Yaoi und Yuri, von Lemon, Lime and Plot-What-Plot-Storys. Dabei wird auch die Kehrseite der in den Fandoms verbreiteten ’Alles ist erlaubt’-Toleranz nicht verschwiegen, bei der sich oft wenig Gedanken um Jugendschutz oder Legalität gemacht wird.

  • Vortragseinladung 12.01.2011: Cyborgs im Zwergenreich

    Petra Lucht
    Von der Ankunft der Cyborgs im Zwergenreich –
    Geschlechterforschung zur Nanotechnologie
    Mittwoch, 12.01.2011, 19ct, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

    Petra Lucht ist Physikerin und Soziologin am Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG) der TU Berlin. Sie referiert zu unserem leider vorerst letzten Vortrag aus der kritischen Naturwissenschaft:

    Nanotechnologie wird für uns maßgeschneidert und geht unter die Haut! – So könnte das Motto für Visionen über diese neue Technologie und ihre Produkte lauten. Partikel im Nanomaßstab von 10-9m (’nános‘ – griech.: Zwerg) sind in Sonnencremes, Kleidung, Putzmitteln oder auch Nahrungsmitteln zu finden. Darüber hinaus kommt Nanotechnologie in unterschiedlichsten Produktpaletten zum Einsatz: die Spannbreite reicht von chirurgischen Eingriffen und Implantaten über Informations- und Kommunikationstechnologien bis hin zur Automobilindustrie. Im Vortrag werden verschiedene Perspektiven der Gender Studies zur Nanotechnologie vorgestellt. Insbesondere frage ich danach, welche visionären Versprechungen in Nanotechnologie-Diskursen produktiv von den Gender Studies für Verschiebungen von Geschlechtergrenzen und für mögliche (Um-)Gestaltungen von Geschlechterkategorien fortgeschrieben werden könnten. Mit der ironischen Erzählfigur der hybriden Cyborg, einem Mischwesen aus Maschine und Organismus, verband Donna Haraway Anfang der 1980er Jahre folgende Thesen: Dualismen, die das Denken der neuzeitlichen Moderne konstituieren, würden infrage gestellt, mit den Irritationen der Grenzen zwischen Kategorien wie Geist und Körper, Subjekt und Objekt oder Kultur und Natur gingen Irritationen geschlechtlicher Kodierungen dieser Kategorien einher. Die damals noch ungeheuerliche und monströse Cyborg und ihre Irritationen der symbolischen geschlechtskodierten Ordnung sind im Zuge jüngerer Technologie-Entwicklungen aus dem Reich der Sciencefiction entkommen: Die Cyborg wohnt an Orten der Bio- und Reproduktionstechnologien, sie wandelt in den Netzen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Insbesondere ist sie auch in jüngeren Diskursen und Praxen der Nanotechnologien ganz selbstverständlich in Wort, Bild und Artefakten aufzufinden. Bringen hybride Konzeptionen von Organischem und Technischem in den Nanotechnologien jedoch Veränderungen von vergeschlechtlichen Codes mit sich? Geht also die neue Selbstverständlichkeit, mit der von Cyborgs die Rede ist, auch mit Veränderungen von Geschlechtergrenzen einher? Diese ‚Cyborg-Perspektive‘ werde ich im Vortrag um die in Nanotechnologie-Diskursen prominente, fiktionale Konzeption vom ‚Assembler‘ zu erweitern suchen – einem sich selbst replizierenden Replikator molekularer Größenordnung. Ich fasse die Vision vom ‚Assembler‘ – so wie auch die von der ‚Cyborg‘ – als gesellschaftlich Imaginäres auf, mit dem paradigmatische Auffassungen über Natur und Technik einhergehen und diskutiere letztere im Hinblick auf mögliche Veränderungen der Kategorie ‚Geschlecht‘.