Vortragseinladung 11.05.2011 – Die Ordnung der Familie

Jun.-Prof. Dr. Ulrike Lembke
Die Ordnung der Familie. Elternschaft und Gender Trouble beim Bundesverfassungsgericht
Mittwoch 11.05.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Der Vortrag wird in DGS übersetzt, Teil des schweren Kampfes um Barrierefreiheit.

Ulrike Lembke lehrt Öffentliches Recht und Legal Gender Studies

Das Bundesverfassungsgericht hat letztes Jahr entschieden, dass die Lebenspartnerin einer schwangeren Frau bei der Geburt des Kindes nicht als „zweite“ Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen werden kann. Um rechtlich anerkannte Elternschaft zu erlangen, muss sie den langen Weg der Stiefkindadoption auch dann gehen, wenn beide Lebenspartnerinnen das Kind wünschten und als gemeinsames Kind großziehen wollen. Bei verheirateten Paaren wird der Ehemann dagegen unabhängig davon in die Geburtsurkunde eingetragen, ob er der leibliche Vater des Kindes ist. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die rechtliche Vorstellung von Elternschaft immer noch auf dem Grundmodell der Ehe (verheiratetes heterosexuelles Paar) mit Kind(ern) beruht. Zu diesem Grundmodell, das durch Status, sexuelle Orientierung und Geschlecht bestimmt wird, gibt es inzwischen diverse Alternativen wie uneheliche Eltern, homosexuelle Eltern, Alleinerziehende, Regenbogenfamilien, Eltern mit unklarem oder wechselndem Geschlecht etc. Diese Abweichungen von der „Normalfamilie“ sind aber rechtlich nicht als gleichwertig anerkannt. Die volle rechtliche Anerkennung der Elternschaft unverheirateter Mütter und Väter musste vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erstritten werden. Eingetragene Lebenspartnerschaften genießen noch immer nicht die gleichen Reproduktions- und Adoptionsrechte wie Ehepaare. Zur Frage transsexueller Elternschaft musste das Bundesverfassungsgericht noch nicht entscheiden, dies wird aber nach seiner jüngsten Entscheidung zum Transsexuellengesetz (Verfassungswidrigerklärung des Kastrationszwanges) nicht lange auf sich warten lassen. Zu erwarten wäre, dass das Bundesverfassungsgericht mit seiner progressiven Anerkennung alternativer sexueller Identitäten einerseits und verschiedener schutzwürdiger Formen von Elternschaft – biologisch, rechtlich und sozial – andererseits zwingend zu Gunsten der vom Grundmodell abweichenden Eltern entscheiden müsste. Dies wird durch seine bisherige Rechtsprechung aber gerade nicht bestätigt. Über die Gründe lässt sich fruchtbar spekulieren: Geschlecht als Ordnungskategorie hat eben doch noch nicht ausgedient und muss zumindest in der Familie als Keimzelle des Staates bewahrt werden. Und auch für eine moderne Bevölkerungspolitik scheint das heterosexuelle Paar unverzichtbar