Vortragseinladung 24.11.2010 „Behinderung, Normalität und Geschlecht als intersektionales Feld“

Prof. Dr. Anne Waldschmidt, Soziologie und Politik der Rehabilitation,
Disability Studies an der Universität zu Köln

Behinderung, Normalität und Geschlecht als intersektionales
Feld
Mittwoch, 24.11.2010, 19 c.t., Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Wir freuen uns sehr, am mittwoch einen Vortrag von einer bekannten Vertreterin der Disability Studies präsentieren zu können:

„Dass behinderte Menschen anders sind als „wir Normalen“ (Erving Goffman), wird üblicherweise nicht auf gesellschaftliche Einflüsse zurückgeführt, sondern auf die gesundheitlichen Störungen und Abweichungen, die als objektiv feststellbare „Naturtatsachen“ angesehen werden. Entsprechend wird von der kulturellen Universalität des Behinderungsphänomens ausgegangen und „Behinderung“ (disability) wird zumeist umstandslos mit „Beeinträchtigung“ (impairment) gleichgesetzt. Dagegen wird in der Genderdebatte davon ausgegangen, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist und die beiden
Dimensionen „sex“ und „gender“ sich wechselseitig durchdringen.
In jüngster Zeit haben die Disability Studies darauf aufmerksam gemacht, dass es auch im Falle von Behinderung keine unhintergehbare „Natur“ gibt. Ihnen zufolge stellt erst die gemeinsame Assoziation mit Unvermögen und Anormalität die kollektive Identität von Menschen mit höchst vielfältigen körperlichen Erfahrungen und Fähigkeiten her. Behinderung ist keine fixe Kategorie, sondern ein eher unscharfer Oberbegriff, der sich auf eine bunte Mischung von unterschiedlichen körperlichen und kognitiven Merkmalen bezieht, die oft nichts anderes gemeinsam haben als das soziale Stigma der Begrenzung, Abweichung und Unfähigkeit. Im Anschluss an die Intersektionalitätsdebatte lässt sich zeigen, dass sich Geschlecht und Behinderung nicht als getrennte Kategorien gegenüber stehen, sondern vielmehr das Zusammenspiel von „sex“ und „impairment“, „gender“ und „disability“ im Ergebnis eine Matrix ergibt: Alle vier Ebenen verweisen aufeinander und überschneiden sich; alle vier Ebenen, d.h. auch „sex“ und
„impairment“ als vermeintlich natürliche Phänomene sind gesellschaftlich hergestellt. Die Logik der Wechselwirkungen wird offensichtlich von der Macht der Normalität bestimmt und auch sie offenbart sich als ambivalent.“