Kategorie: Statements

  • Statement zum Start der Vortragsreihe WiSe 23/24 und Aufruf zum Mitmachen

    Wir sind eine Gruppe von Studierenden und nicht Studierenden, die gemeinsam die Vortragsreihe „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ organisieren. Diese setzt sich mit (hetero-)sexistischen gesellschaftlichen Hierarchisierungen, Normierungsprozessen und den Möglichkeiten des politischen Handelns auseinander. Die Vortragsreihe startete 1990 und existiert noch heute – über mehrere Generationen, Konflikte und Verdrängungsversuche hinweg. 

    Wir starteten die Vortragsreihe in diesem Semester mit einem Vortrag von Prof. Dr. Marianne Pieper, welche uns einen Einblick in die Geschichte der Gender & Queer Studies an der Uni Hamburg ermöglichte und damit auch jenen Teil der Geschichte sichtbar gemacht hat, welcher Queering Academia – anschließend an die AG Queer Studies – erst dazu brachte, für einen Ausbau in der Lehre sowie einen eigenen Studiengang eintreten zu müssen. Bis heute werden Gender & Queer Studies immer noch nicht ausreichend gefördert. Es fehlt an politischem Willen und finanziellen Mitteln, um diese wichtigen Forschungsrichtungen weiter auszubauen und zu sichern. Aus diesem Grund möchten wir gerade heute erneut auf die Wichtigkeit von queerfeministischen und intersektionalen Perspektiven in Forschung und Lehre verweisen. Denn Wissensproduktion- und Bildung darf nicht von patriarchalen, heterosexistischen Perspektiven dominiert werden. 

    Besonders in Zeiten des Rechtsrucks braucht es gemeinsame Organisation und Positionierung sowie ein Programm und Arbeit gegen jene Entwicklungen. Forschung, Wissensproduktion und Lehre tragen gesellschaftliche Kämpfe maßgeblich mit und halten somit eine Verantwortung inne, der es jetzt gerecht zu werden gilt. Demnach glauben wir an die dringende Notwendigkeit, queerfeministische Forschung sowie Gender & Queer Studies als festen Bestandteil der Lehr- und Studienpläne zu sehen. 

    Die Gender & Queer Studies leisten einen wichtigen Beitrag zur Analyse von Geschlecht, Sexualität und Herrschaftsverhältnissen in unserer Gesellschaft. Sie decken auf, wie Geschlecht konstruiert wird und wie es in Machtverhältnisse eingebettet ist. Indem wir diese Strukturen und Prozesse verstehen, können wir sie auch kritisch hinterfragen und für eine gerechtere Gesellschaft eintreten. Gender & Queer Studies haben weiterhin eine starke gesellschaftspolitische Relevanz. Sie setzen sich mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Gender Pay/Pension/Care Gaps, sexualisierter Gewalt und antidemokratischen Strömungen auseinander. Indem wir diese Themen in Forschung und Lehre stärker verankern, können wir aktiv zu einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft beitragen.

    Wir als Aktionsbündnis möchten nicht, dass die Diskussion zur vergangenen und derzeitigen Lage der Gender & Queer Studies in Hamburg wie so oft nur in reinen Lippenbekenntnissen münden. Es muss nicht nur benannt werden, was genau verändert werden müsste, sondern es muss gemeinsam auch aktiv und solidarisch gehandelt werden. Hierzu möchten wir gerne Forderungen als Aktionsbündnis aufstellen und durchsetzen. Dabei kann es konkret z.B. um die Rückkehr des 2006 abgeschafften Studiengangs “Gender & Queer Studies” oder die Wiederbelegung von Gender & Queer Studies Professuren in allen Disziplinen gehen, aber es könnten auch interne Strukturen analysiert und aufgedeckt werden, die dazu führen, dass Themen zu Gender & Queerness in den Curricula an der Universität keine Beachtung finden und insgesamt verdrängt werden. Weiterhin könnte man eine aktive Professor*innenschaft und Student*innenschaft aufbauen, die zusammen arbeitet und an den Hamburger Universitäten und ihren Gremien dann dazu aktiv und laut wird. Dies sind alles nur Beispiele bzw. Ideen.

    Da wir im Moment selbst mit dem Erhalt von Queering Academia zu kämpfen haben, suchen wir dringend Menschen, die mit uns gemeinsam im Aktionsbündnis solche Forderungen formulieren und angehen wollen. Gleichzeitig suchen wir aber auch Menschen, die die Vortragsreihe aktiv mitgestalten und kritischen Stimmen in Hamburg in bezahlter Weise weiterhin eine Bühne geben möchten. Im Moment lastet leider viel Verantwortung auf nur wenigen Personen, deshalb wäre es für den Erhalt des Bündnisses wichtig, wenn sich mehr Menschen mit uns gemeinsam aktiv engagieren wollen und bewusst die Entscheidung treffen, in ihrem Leben hierfür Kapazitäten zu schaffen

    Wir bitten euch also direkt um Mithilfe! Queering Academia muss bestehen bleiben und queerfeministischen Themen müssen ihre dringend benötigte Plattform in der Wissenschaft bekommen.

    Sofern ihr mitmachen möchtet, schreibt uns einfach per Mail an queeringacademia@riseup.net oder an unseren Instagram-Account eine Nachricht.

    Wir freuen uns auf dich!

  • News zur Vernetzung: Queering Academia und unser Statement

    Liebe Freund*innen der AG Queer Studies und „Jenseits der Geschlechtergrenzen“,

    wir haben uns nun mit Studierenden, Gremien, Solidarischen und Interessierten vernetzt und daraus ist das Aktionsbündnis „Queering Academia“ entstanden. Gemeinsam wollen wir für mehr Gender und Queer Studies in Hamburg kämpfen und im kommenden Semester auch wieder Veranstaltungen organisieren! Bald soll es auch einen Mail-Verteiler von Queering Academia geben, wo ihr neben diesem Blog auch weitere Infos erhalten könnt. Stay tuned! Im folgenden Statement könnt ihr unsere Kritik an der derzeitigen Situation und unsere Forderungen nachlesen:

    Statement zur aktuellen Situation der Gender und Queer Studies in Hamburg von Queering Academia

    (mehr …)

  • Ankündigung: Struktur- und Protestsemester & Vortragseinladung 27-11-19: Selbstorganisierte, queer-feministische Wissensproduktion vor dem Aus? Zur Geschichte und Zukunft von „Jenseits der Geschlechtergrenzen“

    Verehrte Freund*innen der AG Queer Studies und der Reihe „Jenseits der Geschlechtergrenzen“,

    vielleicht habt ihr euch schon gefragt, wo das Programm unserer Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ für das kommende Wintersemester 2019/20 bleibt. Leider wird es erstmal keines geben! Grund hierfür sind strukturelle Veränderungen seitens der Universität Hamburg, welche fürs uns ganz unmittelbar den Wegfall der Ausfinanzierung zur Folge hatten. Die Vortragsreihe wurde bisher zu einem großen Teil durch das Zentrum GenderWissen finanziert. Die dortige Leitungsstelle, die uns stets wohlwollend unterstützt hat, ist seit Sommer diesen Jahres nicht mehr da. Zwar soll diese Stelle zukünftig nachbesetzt werden, allerdings ist unklar wann das wirklich passieren wird. Auch ist unklar, welche Veränderungen dies mit sich bringt und was das im Endeffekt für den Erhalt unserer langjährigen Vortragsreihe bedeutet.

    Aus dieser Ungewissheit heraus haben wir uns entschieden, ein „Struktur- und Protestsemester“ einzulegen. Wir wollen uns im kommenden Semester ordnen, neue Perspektiven und Möglichkeiten für die Zukunft erarbeiten, uns vernetzen und auch Kritik üben. Neben weiteren regelmäßigen Treffen unserer AG, wird aus gegebenem Anlass ein Vortrag zur Aktualität und Geschichte der AG Queer Studies stattfinden. Wir freuen uns sehr, dass sich zwei ehemalige Mitstreiter*innen bereiterklärt haben, diesen Vortrag am 27. November um 19.15 Uhrin Raum 250 am Allende-Platz 1 (Pferdestall) zu halten!

    Wir wollen weiterhin viele gesellschaftskritische Vorträge organisieren, wir wollen eine baldige Nachbesetzung der Leitung des Zentrum GenderWissens und wir wollen weiterhin queer-feministische Präsenz in universitärem Raum zeigen!

    Hier das Abstract zum Vortrag:

    Selbstorganisierte, queer-feministische Wissensproduktion vor dem Aus? Zur Geschichte und Zukunft von „Jenseits der Geschlechtergrenzen“

    Dr. Kathrin Ganz, Freie Universität Berlin

    Bertold Scharf, M.A., Museum der Arbeit Hamburg

    Seit 29 Jahren existiert an der Uni Hamburg eine studentisch organisierte Ringvorlesung zu Sexualitäts- und Geschlechterpolitiken, heute bekannt unter dem Titel „Jenseits der Geschlechtergrenzen“. Dieses Semester kann sie nicht stattfinden. Grund dafür sind die fehlende Ausfinanzierung und der Wegfall von wichtigen Strukturen an der Universität Hamburg – ausgerechnet im Jahr von Unijubiläum und Exzellenz.

    Anlass für uns, zurückzublicken: Angefangen bei der tabubrechenden Vortragsreihe “(Männliche) Homosexualität in Kultur und Wissenschaft” des AStA-Schwulenreferats schlagen wir den Bogen über die AG LesBiSchwule Studien und den hochschulübergreifenden Studiengang Gender & Queer Studies bis hin zu den intersektionalen Perspektiven, die „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ heute ausmachen. Wir möchten aber nicht nur einen Blick zurück auf die bewegte Geschichte der AG Queer Studies und ihrer Ringvorlesung werfen, sondern auch darüber sprechen, wie es weitergeht. 

    Selbstorganisierte studentische Arbeitsgruppen an der Universität sind wichtig, um ein politisches und herrschaftskritisches Verständnis von Wissenschaft zu entwickeln. Zusammen mit zwei ehemaligen Mitstreiter*innen diskutieren wir darüber, wie sich die Bedingungen für die studentische Selbstorganisation im Laufe der Zeit verändert haben und was passieren muss, damit die Vortragsreihe nach diesem Protestsemester auch ihren 30. Geburtstag erlebt.

    Kommt vorbei und sagt es weiter!

    Eure AG Queer Studies

  • Das kleine Einmaleins gängiger Abwehrmechanismen: Lippenbekenntnisse, Definitionsmacht und die überempfindlichen Anderen

    Der Image-Film „Inside AStA“ des AStA der UHH wurde vor, während und nach der Erstvorführung am 3.2.2011 im Abaton – welches übrigens durch seine Geschäftsführung entgegen des sonst gepflegten Images von hohem künstlerischem und politischem Anspruch alle Diskussionen vor der Vorführung abblockte – aufgrund der darin enthaltenen Rassismen und Sexismen von vielen Seiten massiv kritisiert (Linksammlungen zum Kontext findet ihr bei den Afrikawissenschaften, auf den stupanews und bei uns). Nun hat der AStA vor einer Woche die Stellungnahme „Zum Thema Rassismus“ veröffentlicht, die auch wir nicht unkommentiert stehen lassen können und wollen.

    Die Stellungnahme des AStA beginnt mit den üblichen inhaltsleeren Worthülsen, wie sie gerne auch von Politiker_innen oder Firmenvorständen in die Welt gesetzt werden, um von eigenen Schwächen abzulenken bzw. ein angeschlagenes Image wortgewaltig herum zu reißen: Es müsse „aktiv gegen Rassismus eingetreten werden“, die „wichtige Diskussion um Rassismus ist eine für eine gerechte Gesellschaft zwangsläufige“. Wenn der AStA dies so sieht, fragen wir uns allerdings, warum er sich der Debatte nicht stellt. Die Diskussion im Rahmen der Filmpremiere wurde nach ca. zwanzig Minuten abgebrochen, an der anschließenden Diskussion in anderen Räumlichkeiten nahm der AStA nicht teil. Das Black Students Network hat in der gleichen Woche als die Stellungnahme erschien, einen Brief an Monty Arnold geschrieben, mit der Bitte an einer Diskussion über den Film teilzunehmen. Dieser wurde am 15.2. auf dem Blog des BSN veröffentlicht. Darauf kam bisher keine Antwort und auch von Seiten des AStA kam kein Gesprächsangebot an die Kritiker_innen.

    Um aber tatsächlich einen „zensurfreien Diskurs“ zum Film und seine rassistischen und sexistischen stereotypen Bilder führen zu können, wäre zumindest eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kritik nötig! Das Statements hinterlässt bei uns das dumpfe Gefühl, eine kaum begründete Zurückweisung der Kritiken entlang der gängigen Abwehrmechanismen gelesen zu haben.

    Der AStA definiert darin Rassismus als „das gleichzeitige Wirken von Vorurteilen und einem ungleichen Machtverhältnis“. Wie es vor diesem Hintergrund möglich ist, den Image-Film als nicht rassistisch zu bezeichnen, ist uns schleierhaft: Wir finden im Film einerseits eine Vielzahl von stereotypen Vorurteilen („Urgewalt“, „Folklore“), andererseits die angesprochenen „ungleichen Machtverhältnisse“, ausgedrückt in der unterlegenen Position der Schwarzen Putzfrauen und die überlegene Position der intellektuellen Weißen, die höheren Arbeiten nachgehen. Der Film bestätigt so genau die aktuell herrschenden ungleichen Machtverhältnisse. Welche Personen haben Spitzenpositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik inne? Und wer verrichtet in unserer Gesellschaft die ungeliebten Arbeiten, die als „nieder“ gelten?
    Laut AStA-Stellungnahme seien besagte Szenen aber keinesfalls rassistisch, sondern stünden in der Tradition des Kabarett. Stur zu behaupten, etwas sei Kabarett bedeutet aber nicht automatisch das Erfüllen der dafür nötigen Kriterien. Auch der Verweis auf nebulöse, nicht näher erläuterte „filmtheoretische Betrachtung“ (etwa durch Timo Hempel selbst?) hilft da nicht wirklich weiter und wirkt eher wie ein Versuch der Einschüchterung oder Beeindruckung der Lesenden durch das Vorgaukeln eines wissenschaftlichen Anspruchs. Nicht jede überspitzte Darstellung dekonstruiert automatisch Stereotype und dass erst erklärt werden muss, wo in ihrem Film damit gebrochen wird, erschwert die Interpretation als Satire erheblich. (Nach der Argumentation des AStA wäre wohl auch Astra-Werbung antisexistisch und die BILD-Zeitung das emanzipatorischste Medium weit und breit.)

    In früheren Äußerungen hat der AStA versucht, sich darauf heraus zu reden, dass der Film voller Insider-Witze sei. Dies beschränkt den Kreis derer, die sich die satirische Komponente des Films erschließen können, natürlich erheblich. Es läuft also letztlich darauf hinaus, dass der AStA sich mit diesem Film über Dinge lustig macht, über die nur die Verantwortlichen selbst lachen können.

    Wie wenig der AStA tatsächlich bereit ist, sich mit Kritik auseinanderzusetzen, demonstriert er in der Stellungnahme durch wiederholte Versuche, mit Gewalt die Definitionsmacht an sich zu reißen: Weil der AStA durch seine Einsichten in filmtheoretische Betrachtung sich selbst bestätigt, dass der Film „klar erkenntlich“ auf das „differenzierte Gegenteil“ von Stereotypen abziele, sei er erwiesenermaßen Kabarett. Und weil der AStA selbst den Film als „nicht rassistisch“ einordnet, sei er das dann auch nicht! Solche Sätze verweisen nicht nur auf völlige Kritikunfähigkeit, vielmehr: dieser selbst-referenzielle Zirkelschluss enthält keinerlei Argumentation und erfüllt nicht einmal die minimalen Anforderungen an eine Auseinandersetzung auf gleicher Augenhöhe.

    Getreu der beliebten Argumentationsfigur „Es ist nicht rassistisch, weil ich kein/e Rassist/in bin und das so bestimme“ weist der AStA auch auf seine angeblichen anti-rassistischen und anti-diskriminierenden Errungenschaften hin – ganz abgesehen davon, dass niemand vor verinnerlichten Rassismen gefeit ist, egal wie lange und intensiv mensch sich mit Rassismus beschäftigt hat. Wenn er sich aber im Rahmen seines hier selbst gelobten Einsatzes gegen Diskriminierung mit der Wiederwahl des „AusländerInnenReferats“ und der Einführung der „Männertage“ brüsten will, müssen wir an dieser Stelle das erste Mal bitter auflachen.
    Genau diese AStA Koalition hat die gewählten Referent_innen des „Aref“ zwei Jahre lang nicht bestätigt und dann durch Verfahrensfragen und Formalia gegen den Willen der Betroffenen dort eine neue Struktur etabliert. Jetzt zu schreiben, dass „auf [ihr] Hinwirken in [ihrer] Legislatur wieder eine rechtmäßige und erfolgreiche Wahl des „AusländerInnenreferates“ durchgeführt“ wurde, ist absurd und anmaßend.
    Programm und Ausrichtung besagter „Männertage“ hatten mit Fußball gucken, Gerätetraining in der Kaifu-Lodge, Kochkurs und dem Vortrag eines nicht unproblematischen Scheidungsväter-Vereins wohl nur weiße heterosexuelle Männer im Fokus. Unseres Erachtens reihen sie sich damit eher in einen bestimmten Jammer-Diskurs ein. Demnach sei der Feminismus und die ganze Frauenförderung daran schuld, dass heute Jungs und Männer ins Hintertreffen geraten seien. Natürlich können auch sie Diskriminierung erfahren, allerdings meist dann, wenn sie sich nicht wie „richtige“ Männer verhalten (wollen).
    Sexismus ist schlecht für Alle, seine Stereotype schränken auch die Möglichkeiten von Männern ein. Aber die Antidiskriminierungsstrategien des AStA kommen gut ohne Kritik an hegemonialer Männlichkeit und den Privilegien von weißen heterosexuellen Männern aus. Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass wir auch genau dieser AStA-Koalition die Abschaffung des FrauenLesben-Rats zu verdanken haben. Damit wurde der gesellschaftliche Backlash gegen den Feminismus ganz aktiv unterstützt und die nach wie vor schlechtere Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft spielt für die politische Arbeit dieses AStA anscheinend kaum eine Rolle.

    Schließlich verfällt der AStA in die Opferhaltung: Es wird der Wunsch nach einem „offenen Dialog ohne vorverurteilende Anschuldigungen“ geäußert, von „Unklarheiten“ gesprochen, außerdem könne in der „Lebensrealität des Bezeichneten Rassismus stattfinden, ohne dass die [andere] […] Person […] ein Rassist sein muss.“ Die Kritiker_innen sind also zu empfindlich, sehen Rassismus, wo keiner ist, verstehen den Witz nicht – auch dies ist eine beliebte Taktik, sich nicht mit Kritik auseinandersetzen zu müssen. Jetzt fehlt nur noch der Tipp an die Kritiker_innen, sich mal ein bisschen locker zu machen.

    Die Bemühungen, sich der lästigen Stimmen zu entledigen, gipfeln in der Pseudoentschuldigung des AStA, er bitte „alle Menschen, bei denen dieser Film für Missverständnisse gesorgt hat, um Entschuldigung“. Dies ist keine Entschuldigung, sondern eine Unverschämtheit! Ein Missverständnis seitens der Kritiker_innen zu konstruieren, ist Selbstüberschätzung, unbegründetes Überlegenheitsgebaren und ein billiger Weg, sich der Verantwortung zu entziehen!

    Unser Fazit:
    Diese Stellungnahme des AStA UHH und ihr verzweifeltes Bemühen sich selbst als wackere Bekämpfer_innen von Diskriminierung darzustellen, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Gruppen, die jeden Tag gegen strukturelle, gewaltförmige und alltägliche Diskriminierung kämpfen.

    Weitere Reaktionen auf die Stellungnahme findet ihr u.a.

  • Der AStA und die Ignoranz gegenüber eigenen Rassismen in einem misslungenen „Image-Film“

    Dass es heute nicht mehr en vogue ist, politisch korrekt zu sein – bedauerlich genug – ist eine Sache. Dass es aber möglich ist, aus einem Unigremium heraus die plattesten rassistischen, (hetero-)sexistischen und klassistischen Stereotype in einem Image-Film zu verbraten, ist schlichtweg ein ungeheuerlicher Skandal.
    Der Film „Inside AStA“ und die Positionen, die AStA Vertreter_innen dazu einnehmen, treibt die traurige Realität des gesellschaftlichen Alltagsrassismus auf die Spitze.

    Der Inhalt dieses Films ist nichts als Diffamierung. Es geht los mit den „farbenprächtig gewandeten afrikanischen Reinigungskräften“, die „gospelnd ihrer Arbeit“ nachgehen und als urgewaltige Furien repräsentiert werden. Allein darin stecken sowohl im (Ankündigungs-)Text als auch in den entsprechenden Bildern des Films jede Menge diskriminierende Repräsentation. Das erschließt sich aber leider den Verantwortlichen nicht, auch wenn die Kritik schon vor der Premiere am 3. Februar pointiert ausformuliert wurde (siehe dazu auch der braune mob gew-studis wochenendseminar hwp-netz indymedia).
    Sie scheinen nichts über die Kolonialgeschichte der Hamburger Universität zu wissen, wenn sie diese Szene in den „prächtigen Kuppelsaal des historischen Hauptgebäudes“ legen und vorher den Hafen einblenden. Sie schrecken auch nicht davor zurück, dass sie damit Bilder von singenden Sklav_innen auf Baumwollfeldern heraufbeschwören, was sicher nicht als lustig durchgehen kann. Bedauernswert einerseits, wenn nicht voraus gesetzt werden kann, dass sich Studierende (die sich gerne als Bildungselite bezeichnen lassen) mit der Kolonialgeschichte Hamburgs auseinander gesetzt haben; sich dann aber mit der Kritik konfrontiert auch noch als äußerst beratungsresistent auszuzeichnen, ist das Andere.

    Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wird im Film als nächstes die privilegierte Stellung der (anscheinend ausschließlich weißen) AStA Mitarbeiter_innen wirkungsvoll in Szene gesetzt, welche ihrer politisch-intellektuellen Arbeit des Flyer-Verteilens nachgehen wollen. Sie werden von den schwarzen Putzkräften (die laut der ursprünglich veröffentlichten und später geänderten Version des Ankündigungstextes selbstverständlich Afrikanerinnen sein müssen) mit Gewalt daran gehindert, was naturalisierende Bilder weckt. Der Kommentar des Sprechers, die AStA Vertreter_innen stellten „sich der Urgewalt von Werktätigkeit und Folklore entgegen“ (O-Ton aus dem Film), macht die Fronten schnell klar: Auf der einen Seite die nur als körperliche Arbeitskraft brauchbare, nur zum Teil zähmbare Wildheit, die versucht, die gebildeten Weißen auf der anderen Seite an ihrer wichtigen intellektuellen Tätigkeit zu hindern. Wünschenswert wäre es, wenn sich der AStA damit auseinandersetzt, dass die Putzkräfte an der Uni für einen Hungerlohn verdammt harte Arbeit leisten müssen. Stattdessen werden aber die rassistischen Strukturen, die auch das Studieren und Arbeiten an der Universität Hamburg prägen, vom AStA „liebevoll“ stilisiert.

    Nach dieser skandalösen Einstiegsszene jagt ein Stereotyp das andere: Die ewig gestrigen Linken (natürlich männlich, langhaarig, bärtig und mit schlechter Artikulation), die immer noch gegen Brokdorf sind, das knutschende Pärchen in der Materialkammer, das natürlich hetero sein muss oder der Wohnungslose, der an der Uni in Mülleimern wühlt. Auch hier wird wieder „liebevoll“ stilisiert, was der schönen heilen Uniwelt täglich den Spiegel gesellschaftlicher Realität vorhält und eigentlich Anlass für Reflektion und Solidarität geben sollte. In diesem „Image-Film“ bleibt jedoch alles auf seinem gesellschaftlich zugewiesenen Platz (entlang von Hautfarbe, Geschlecht und Klasse), wird weiter aufrecht erhalten und fortgeschrieben. Doch bereits eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihren Kritiker_innen scheint zu hoch für die AStA Leute und wird abgeblockt.

    Uns stellt sich die Frage, was dieser Film eigentlich soll. Satire kann er nicht sein – auch wenn der Macher Timo Hempel es gerne so sehen würde. Allein es fehlt ihm die dafür nötige geistige Durchdringung der Sachverhalte – das hat er schon durch die platten, bruchlosen Reproduktionen von Stereotypen bewiesen. Seine Rechtfertigung, der Film sei voller Insider-Witze, wirft bei uns weiterhin die Frage auf, ob zur Verbreitung von unverständlichen Witzen auf dem Niveau von Mario Barth tausende Euros der Studierenden ausgegeben werden müssen. Denn auch die Referent_innen des AStA selbst werden in dem Film diffamiert und als inkompetent dargestellt, weil sie keinerlei nützliche Hilfestellung geben können. Verknüpft wird das Ganze dann recht zusammenhangslos mit der Botschaft: „AStA, der kriegt alles für Sie auf die Reihe“, was offensichtlich hinkt. Was der AStA mit seinem Image-Film aber unseres Erachtens tatsächlich hingekriegt hat ist, einen tiefen Einblick zu liefern, wie es politisch um ihn bestellt ist: nämlich extrem finster.

    Die AG Queer Studies war mit einigen Leuten vor Ort und erklärt hiermit ihre Solidarität mit dem Black Students Network und allen anderen Gruppen oder Einzelpersonen, die auch gegen diesen Film und dabei waren, um gegen Rassismus aufzustehen und sich zu Recht lauthals zu empören. Gerne geben wir an dieser Stelle folgenden Aufruf weiter, welcher uns durch die GEW-Studis erreichte:

    Am kommenden Montag (07.02.) um 18:00 Uhr findet im Subkultur Paranoia (VMP8, K57) ein Treffen in Sachen AStA-Image-Film und Konsequenzen daraus statt, zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind.

    Wir fordern die sofortige Entlassung von Timo Hempel als den so genannten „Sonderbeauftragten für Kultur“.
    Außerdem fordern wir den AStA auf, sich über alle Kanäle für seine rassistischen und sexistischen Machenschaften zu entschuldigen. Die Idee, diesen Film bei Orientierungseinheiten allen Erstsemester_innen zu zeigen, um den AStA bekannt und beliebt zu machen, ist nicht nur absurd, sondern auch menschenverachtend.
    Last but not least, muss die Summe der studentischen Gelder, die auf dieses Schmierentheater verwendet wurde, offen gelegt und am besten von den Verantwortlichen zurück gefordert werden, um für sinnvolle Projekte gegen Rassismus und für mehr politische Bildung (vor allem auch für die Verantwortlichen im AStA selbst) eingesetzt werden zu können.

    In tiefer Erschütterung und mit einer gehörigen Portion Wut,
    Die AG Queer Studies

    weitere Nachbereitungen der Ereignisse:

    Nachtrag:
    Der AStA hat anscheinend dafür gesorgt, dass das Video bei YouTube rausgenommen wird. Folgende Nachricht dazu hat uns eben erreicht:

    Es gibt Neuigkeiten: YouTube hat aus „Urheberrechtlichen Gründen“ das Video von der Filmpremiere herausgenommen. Man kann sich die Videos (zur Zeit) nicht mehr angucken!!
    Hahahah da versucht wohl der Asta durch Zensur bzw. durch formal-rechtliche Schritte die eigene rassistische Moppelkotze zu vertuschen….! Echt Peinlich!!!! (Bitte verbreitet diese „frohe Botschaft“)
    Es wird bestimmt Leute geben die die Videos bald wieder online stellen werden…..!

    ANTIRASSISMUS LÄSST SICH NICHT ZENSIERN!!!

    Außerdem scheint der AStA zu denken, dass sich der Protest schon wieder gelegt hat. Dem ist aber nicht so!
    Wir hatten heute ein sehr produktives Treffen und halten euch über baldige Aktionen auf dem Laufenden. Wer noch dazu kommen möchte, kann gerne nächsten Montag (14.02.) wieder um 18 Uhr im Subkultur Paranoia (VMP8, K57) dabei sein.

  • WM Statement

    Zur Lage der Nation: oder warum die AG Queer Studies der Absage eines Vortrags wegen eines Fußballspiels wenig abgewinnen kann

    Dieses Jahr ist wieder Fußball-WM. Genauer: Ablebodied-Erwachsenen-Männer-Fußball-WM und Deutschland befindet sich – wenigstens während der Spiele der deutschen Nationalelf – in einem Ausnahmezustand. Dieser betrifft auch die Universität: Es finden in der Staatsbibliothek, im Audimax und im Pferdestall-Hinterhof Fußballübertragungen statt. Die Spiele der deutschen Nationalelf gelten in Seminaren automatisch als Entschuldigungsgrund, bei denen sonst peinlich genau auf die Anwesenheit geachtet wird. Leider hat dieser Ausnahmezustand nun auch unsere Ringvorlesung erreicht. Da nächsten Mittwoch (7.7.2010) „Deutschland“ im Halbfinale steht, muss der Vortrag leider entfallen, da die Referentin lieber das Fußballspiel ansehen möchte. Aus diesem Grund sehen wir uns gezwungen, zu den Ereignissen während der Männer-Fußball-WM einmal grundsätzlich Stellung zu beziehen.

    Gemeinsam Fußballschauen kann nett sein – was sich aber derzeit abspielt, ist leider viel mehr als das. Denn „wir“ (gemeint sind wohl alle „Deutschen“, denn die Aussagen kommen nicht von den Fußballspielern) spielen bei der WM mit, und das wichtigste ist, dass „wir“ hierbei auch gewinnen, gegen den alten Erzrivalen England, aber auch gegen Ghana mit „Ballack-Treter“ Boateng. Nun ist diese nationale Aufteilung bedauerlicherweise schon im Format der WM angelegt. In Deutschland ist seit 2006 aber die Auffassung verbreitet, dass wir uns ja bisher viel zu stark zurückgehalten hätten. Wenn wir aber nun eifrig mit Deutschlandfähnchen wedeln, Autokorsos veranstalten und uns auch ansonsten nationalistisch gebärden, würden wir nur einen „gesunden“ Patriotismus ausleben. Was „gesund“ an Patriotismus sein soll, bleibt hier vollkommen im Unklaren. Unserer Meinung schließt dieser immer andere Leute aus und macht eine Frontstellung zu anderen Ländern auf. Die Rechtfertigung beschränkt sich meist darauf, dass dies bei anderen Ländern ja genauso sei (über den Wahrheitsgehalt dieser Aussage wollen wir uns mal nicht auslassen, aber das macht Patriotismus leider auch nicht besser). Mal ganz abgesehen von den Leuten, die diese WM eine gute Gelegenheit finden, mal ganz unverblümt ihre nationalistische und nazistische Einstellung heraushängen zu lassen und die erste Strophe des Deutschlandliedes absingen, „Sieg Heil“ brüllen oder aber gegnerische Fahnen abfackeln. Mal ganz abgesehen von „unvermeidlichen“ Sprüchen wie „Ihr seid alle homosexuell!“, die die latent homophobe Einstellung vieler Deutschland-Fans illustriert, auch wurde die Variante „Ihr seid alle behindert“ gehört. (alle Fälle mussten wir in den letzten Wochen persönlich beobachten).

    Es geht bei der ganzen Veranstaltung also weniger um schönen Fußball, sondern um ein kollektives Zusammengehörigkeitsgefühl, dass zu allem Übel auch noch an nationalen Grenzen festgemacht wird. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass sich die Leute nicht auch über bestimmte Spielzüge freuen können. Leider wird dies aber mit einer Feierkultur verbunden, die alle Personen in die Verzweiflung treibt, die trotz medialen Trommelfeuers noch nicht zu Fußballfans mutiert sind oder aber diesem nationalistischen Feiergetaumel nicht viel abgewinnen können. Es muss möglich sein, in dieser Situation auch etwas Anderes tun zu können als Fußball zu gucken und zwangsweise mitmachen zu müssen. Mehr noch: Wir hätten unseren Spaß gehabt mit einem interessanten Vortrag in unserer Vorlesungsreihe. Keiner der AG-Mitglieder kann sich erinnern, dass bisher andere als dringende persönliche Gründe (Krankheit usw.) bei Vortragsabsagen eine Rolle gespielt haben und wir sind einigermaßen erschüttert, dass nun ausgerechnet die Fußball-WM einer ist.

    In unser Entsetzen mischt sich aber die Hoffnung, dass dieser Wahnsinn  bald vorbei ist. Um trotzdem einen schönen Abend zu haben, planen wir ein kleines Alternativprogramm für alle, die Interesse an etwas Anderem als Fußballgucken haben.