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Ute Kalender: Körper von Wert

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenIm Sommersemester 2012 hatten wir im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung mit dem Zentrum für Disability Studies die Freude, Dr. Ute Kalender in unserer Reihe zu begrüßen. In ihrem Vortrag „Körper von Wert. Eine queer-feministische und politisch-ökonomische Perspektive auf Reproduktions- und Biotechnologien“ untersucht sie das vielzitierte queere Potential von Reproduktionstechnologien aus der Perspektive der Disability Studies und von postfordistischen Feminismen.
Das Script des Vortrages samt Literaturliste ist beim Zentrum für Disability Studies online als PDF erhältlich. Utes Dissertation „Körper von Wert. Eine kritische Analyse der bioethischen Diskurse über die Stammzellforschung“ erschien 2011 bei transkript.

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Transgender- und Queertheoretiker_innen schreiben Reproduktionstechnologien in der Regel ein ‚transgenderes’ oder ‚queeres’ Potential zu: Reproduktionstechnologien könnten die heteronormative Ordnung von reproduktivem Geschlechtskörper, reproduktiver Geschlechtsidentität und reproduktivem Begehren unterwandern und heteronormative Formen von Elternschaft und Verwandtschaft durcheinander bringen. Dieses queere Potential bildet den Ausgangspunkt meines Beitrages. Im ersten Teil sollen die queeren Möglichkeiten herausgearbeitet und eine Kritik an den diskriminierenden und ausschließenden Aspekten zeitgenössischer deutscher Biopolitik formuliert werden. Der zweite Teil nimmt die problematischen Momente der Technologieverständnisse in Transgender- und Queerbeiträgen in den Blick. Dazu soll auf postfordistische Feminismen und kritische Disability Studies rekurriert werden. Während erste auf das Entstehen neuer Akkumulationsregime samt neuer Arbeitsformen – der sogenannten regenerativen Arbeit – hinweisen, legen die kritischen Disability Studies nicht nur avancierte Analysen heutiger neo-eugenischer Praktiken vor, sondern haben auch auf die kapitalistische Geschichte der Normalisierung hingewiesen. Vor diesem Hintergrund soll gefragt werden, wie Schlüsselbegriffe queer-feministischer Ökonomiekritik (z.B. sexuelles Arbeiten) justiert werden könnten und ob das queere nicht auch ein queerfeindliches und transphobes Potential bedeutet – wie etwa im Fall von Sex Selection oder dem sogenannten Family Balancing.

Vortragseinladung 2012-11-21: Cochlea Implantat

Joke Janssen
Raus aus der Käseglocke! Anrufungen an gehörlose Eltern gehörloser Kinder zum Cochlea Implantat
Mittwoch 21.11.2012, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Dieser Vortrag wird in deutsche Gebärdensprache übersetzt – Weitersagen!

2009 wurde eine Informationsbroschüre zum CI bei Kindern herausgegeben, die sich explizit an taube/schwerhörige Eltern richtet. Sie ist in leichter Sprache mit vielen Bildern gehalten und hebt hervor, dass Gebärdensprache im CI-Rehabilitationsprozess wichtig und willkommen ist. Die auf den ersten Blick damit erstaunlich offene und fortschrittliche Broschüre basiert auf (altbekannten) audistischen Grundlagen, die hier wirkmächtig mit neoliberalen Logiken verknüpft sind. Angerufene in diesem System sind die gehörlosen/schwerhörigen Eltern. Sie müssen sich in einem Entscheidungsfeld positionieren, in dem es um Mangelhaftigkeit, Verantwortung und das gute Leben ihres Kindes geht. In meinem Vortrag werde ich die gewaltvollen Verschränkungen von Audismus und neoliberalen Logiken in ihren Auswirkungen auf taube/schwerhörige Eltern tauber/schwerhöriger Kinder untersuchen.

Radio im Mai

Einige werden es wissen, in Hamburg gibt es mit FSK ein freies Radio, das dort auf 93,0 Antenne und über Kabel auf 101,4 (105,7 im Speckgürtel) zu empfangen ist, weniger, daß dieser Sender weltweit hörbar ist über Internet-Livestream.

Noch weniger, daß die AG Queer Studies und ihre Mitglieder Euch in den kommenden Monaten ein reichhaltiges Angebot über dieses Medium präsentieren. Folgende Vortragsdokumentationssendungen stehen an:

Vortragseinladung 2012-04-11: Reproduktions- und Biotechnologien

Ute Kalender
Körper von Wert. Eine queer-feministische und politisch-ökonomische Perspektive auf Reproduktions- und Biotechnologien
Mittwoch 11.04.2012, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Bei diesem Vortrag werden Schriftmittler*innen anwesend sein – weitersagen

Aus Berlin ist am Mittwoch Dr. Ute Kalender in unserer Vorlesungsreihe zu Gast, z.Zt. am DFG Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“, wo Sie am Forschungsprojekt zu Biological Citizenship arbeitet. Sie referiert zu folgendem Thema:

Transgender- und Queertheoretiker_innen schreiben Reproduktionstechnologien in der Regel ein ‚transgenderes’ oder ‚queeres’ Potential zu: Reproduktionstechnologien könnten die heteronormative Ordnung von reproduktivem Geschlechtskörper, reproduktiver Geschlechtsidentität und reproduktivem Begehren unterwandern und heteronormative Formen von Elternschaft und Verwandtschaft durcheinander bringen. Dieses queere Potential bildet den Ausgangspunkt meines Beitrages. Im ersten Teil sollen die queeren Möglichkeiten herausgearbeitet und eine Kritik an den diskriminierenden und ausschließenden Aspekten zeitgenössischer deutscher Biopolitik formuliert werden. Der zweite Teil nimmt die problematischen Momente der Technologieverständnisse in Transgender- und Queerbeiträgen in den Blick. Dazu soll auf postfordistische Feminismen und kritische Disability Studies rekurriert werden. Während erste auf das Entstehen neuer Akkumulationsregime samt neuer Arbeitsformen – der sogenannten regenerativen Arbeit – hinweisen, legen die kritischen Disability Studies nicht nur avancierte Analysen heutiger neo-eugenischer Praktiken vor, sondern haben auch auf die kapitalistische Geschichte der Normalisierung hingewiesen. Vor diesem Hintergrund soll gefragt werden, wie Schlüsselbegriffe queer-feministischer Ökonomiekritik (z.B. sexuelles Arbeiten) justiert werden könnten und ob das queere nicht auch ein queerfeindliches und transphobes Potential bedeutet – wie etwa im Fall von Sex Selection oder dem sogenannten Family Balancing.

Heike Raab: Queer Meets Disability

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenIm Januar 2010 veranstaltet die AG Queer Studies und das Zentrum für Disability Studies den Workshop „Queer meets Disability„. Zu diesem Workshop hatten wir u.a. Dr. Heike Raab eingeladen, die in ihrem Vortrag einen Überblick über die deutschsprachige Forschungslandschaft und aktuelle Debatten im Bereich der Queer Disability Studies vorstellte. Ebenfalls zu Gast war Prof. Robert McRuer, der das Thema aus us-amerikanischer Perspektive beleuchtet. Sein Vortrag zu „Crip Theory“ ist bereits als Podcast verfügbar. Heike Raab arbeitet am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Disability Studies und Queer Studies, Körper, poststrukturalistische Sozialwissenschaften, Feministische Theoriebildung und Staatstheorie.

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Vortragseinladung 2011-12-14: Ableism (schriftgemittelt)

Rebecca Maskos
„Bist DU behindert oder was“ : Behinderung, Ableism und souveräne Bürger_innen
Mittwoch 14.12.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Bei dem Vortrag werden Schriftmittler*innen anwesend sein

Aus Berlin kommt die Diplompsychologin und Journalistin Rebecca Maskos. Sie referiert zu folgendem:

Auf den Schulhöfen gilt „behindert“ als Beleidigung, während im Bundestag ein Minister im Rollstuhl die bundesdeutschen Finanzen verwaltet. Im Fernsehen helfen zur besten Sendezeit Schauspieler_innen mit Trisomie 21 bei der Lösung von Kriminalfällen, während Pharmafirmen einen Test zur frühen Diagnose von Trisomie 21 auf dem Markt bringen, der bald noch effektiver das Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten verhindern wird. Wir leben in widersprüchlichen Zeiten. Behinderte Menschen sind gleichberechtigte Bürger_innen mit Rechten und Pflichten, das hat die Behindertenbewegung erkämpft. Trotzdem ist Behinderung immer noch ein Katastrophenszenario für sich als nichtbehindert verstehende Bürger_innen, das im Ruf nach pränataler Verhinderung und Sterbehilfe mündet. Behinderung scheint an etwas Fundamentalem zu rütteln, scheint die Identität und Integrität von Menschen mit vermeintlich intaktem Körper derart zu bedrohen, dass sie Verunsicherung und Angst auslöst. Woher könnte diese Angst kommen, welche Formen nimmt ihre Abwehr an, und was hat das mit einer Gesellschaft zu tun, in der der Körper zentraler Ort von Verwertung und Konkurrenz ist? Die Disability Studies und Aspekte der politischen Ökonomie geben Hinweise auf diese Fragen, denen ich in meinem Vortrag nachgehen möchte.

Carola Pohlen: Nichtbehinderung? Was soll das bitte sein?

Logo des Podcasts von Jenseits der GeschlechtergrenzenNach einer kleinen Pause machen wir weiter in unserer Podcastreihe mit einem Vortrag aus dem Wintersemester 2010. „Nichtbehinderung? Was soll das bitte sein? Ein Versuch, die Gender Studies für die Disability Studies produktiv zu machen“ lautetet das Thema von Carola Pohlen, in dem sie den kaum in den Blick genommenen Begriff der „Nichtbehinderung“ ins Zentrum stellt und untersucht, wie Behinderung und Nichtbehinderung auch historisch voneinander abgegrenzt werden. Carola Pohlen ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Mensch, Ehtik und Wissenschaft in Berlin.

[podcast]http://www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/podcast/pohlen_2010_CC.mp3[/podcast]
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Die Disability Studies erlauben es, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in den Blick zu nehmen, die Behinderung als essentialisierenden und an Individuen geknüpften Identitätsmarker hervorbringen. Indem sie die gesellschaftlich spezifischen Bedeutungen von Behinderung und Nichtbehinderung entziffern, können die Disability Studies Aussagen darüber treffen, was unter Behinderung oder Nichtbehinderung zu einem historisch spezifischen Zeitpunkt jeweils zu verstehen ist und wie sie zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Bisher gibt es nur relativ wenige Arbeiten, die sich explizit auch mit Nichtbehinderung beschäftigen. Mit Blick auf das “Human Enhancement” – der biotechnologischen „Verbesserung“ jener Körper, die bereits als “normal” wahrgenommen werden – untersucht der Vortrag mit Bezug auf Diskussionen in den Gender Studies, inwiefern Vorstellungen von Nichtbehinderung mit Normalität verknüpft sind und wie sie normativ werden.

Veranstaltungstip 2011-11-14: Zur Intersektionalität

Do. Gerbig
Intersektionalität: Machtkategorien und Körperlichkeit. Race, Gender, Class, Dis-Ability – alles zusammen denkbar!?
Montag, 14.11.2011, 16:30, Edmund-Siemers-Allee 1 Ost („ESA Flügelbau rechts“) 221

Ein ebenfalls unbedingt hörenswerter Vortrag findet Montag 16 Uhr im Rahmen der Ringvorlesung unserer PartnerInitiative ZeDiS statt, Do. Gerbig, aus Reihen der AG Queerstudies referiert zum Thema Intersektionalität.

Veranstaltungshinweis: Vorlesungsreihe „Behinderung ohne Behinderte!?“

Zentrum für Disability Studies (ZeDiS)
Ringvorlesung „Behinderung ohne Behinderte!? Perspektiven der Disability Studies“
Montags, ab 17.10.2011 16:30 Edmund-Siemers-Allee 1 Ost („ESA, rechter Flügelbau“) 221

Unsere Partner Initiative ZeDiS veranstaltet auch kommendes Semester ihre Vorlesungsreihe, welche wir wärmstens empfehlen und zahlreich selbst besuchen, so Do. Gerbig am 14.11. gar als vortragende.

Das Programm findet Ihr hier

Aus der Beschreibung:

Disability Studies (DS) sind ein interdisziplinärer wissenschaftlicher Ansatz, der aus der politischen Behindertenbewegung im angelsächsischen Sprachraum hervorgegangen ist. Richtungweisend für DS ist das so genannte soziale Modell von Behinderung, das davon ausgeht, dass Behinderung ausschließlich gesellschaftlich verursacht wird und dass in allen menschlichen Lebensbereichen behindernde Barrieren auftreten, die von Behinderung betroffenen Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am Leben erschweren.
Darüber hinaus ist für DS die Sichtweise selbstbetroffener Menschen maßgeblich. Die allen Studierenden wie Interessierten offen stehende Ringvorlesung bietet einen Zugang zu unterschiedlichen Themen, die für DS bedeutsam sind.

Die Ringvorlesung steht allen Interessierten in- und außerhalb der Universität Hamburg offen. Die Räumlichkeiten sind für Rollstuhlfahrer/innen zugänglich und alle Vorträge werden von Schriftmittler/innen gedolmetscht. Eine Voranmeldung ist nicht notwendig.

Jeder Vortrag der Ringvorlesung ist eine in sich geschlossene Einheit, d.h. es ist möglich und zulässig, nur einzelne Vorträge zu besuchen. Für Studierende, die Leistungspunkte erwerben möchten, besteht Anwesenheitspflicht.

Vortragseinladung (Schriftgemittelt!) 2011-07-06: „Armlose Wunder“

Lucie Storchová
„Ich will, deswegen kann ich!“ Geschlechtliche Markierung der Normalität, Produktivität und „bürgerlichen Tüchtigkeit“ in Autobiographien der zentraleuropäischen „armlosen Wunder“ (1910–1930)
Mittwoch 06.07.2011, 19:15, Von Melle Park 5 („Wiwi Bunker“) 0079

Der folgende Vortrag wird in Kooperation mit zusammen mit unserer PartnerInitiative Zentrum für Disablity Studies (ZeDiS) angeboten. Schriftmittler*Innen werden anwesend sein, d.h. verbreitet diese Ankündigung weiter, solltet Ihr potentiell interessierte kennen.

Lucie Storchová ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Philosophischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften und am Institut für Anthropologie an der Faculty of Humanities in der Karls-Universität zu Prag. Sie referiert folgendes:

Obwohl eine breitere konzeptionelle Diskussion sowie konkrete Forschungsprojekte zum Thema in der zentral- und osteuropäischen Geschichtswissenschaft mehr oder weniger fehlen, gehören die Imagination und kommerzielle Ausstellungen des „außerordentlichen Körpers“ (extraordinary body) an der Wende von 19. zum 20. Jahrhundert zu entscheidenden Phänomenen in der Entstehung des modernen zentraleuropäischen Nationalismus oder liberalen Kapitalismus. In meinem Exposé möchte ich auf den diskursiven Rahmen dieser Prozesse fokussieren, im besonderen auf Intersektionen von Gender und anderen Differenzdiskursen (als Klasse, Nation, Heteronormativität oder körperliche Differenz) in Autobiographien, die von renommierten „armlosen Wundern“ nach dem Ersten Weltkriege verfasst worden sind. Das autobiographische Selbst sowie der außerordentliche Körper in seiner Materialität lassen sich in diesem Sinne als textuelle Effekte der vielseitigen diskursiven Interaktion interpretieren, die unter anderen auch derzeitige Vorstellungen von ökonomischer Produktivität mitgestalteten. Die Lebensbeschreibung von Carl Hermann Unthan, dem populären und erfolgreichen armlosen Violinisten, wurde in Stuttgart unter dem Titel „Das Pediscript. Auszeichnungen aus dem Leben eines Armlosen“ in 1925 herausgegeben und diente als eine intertextuelle Basis für andere Super-Crip Autobiographien der Zeit. Als eine tschechische Parallele wähle ich ein einige Jahre später erschienenes Buch von František Filip „Bezruký Frantík píše o sobě“ („Armloser Franz schreibt von sich selbst“) aus. Eine entscheidende Rolle in der Produktion des autobiographischen Selbst spielte in beiden Texten der mit der Imagination von „ökonomischer Nützlichkeit“ und „ehrenvollem Lohn“ verbundene Diskurs der körperlichen Zwangsfähigkeit/Zwang zu nichtbehinderter Körperlichkeit (compulsory able-bodiedness), die als verbindlich auch für normates – im Sinne wie Rosemarie Garland-Thomson den Begriff benutzt – betrachtet wurden. Die Männlichkeit des außerordentlichen Körpers überschneidet 12 sich in beiden Lebensläufen auch mit Motiven der „bürgerlichen Tüchtigkeit“ und öffentlichen Engagiertheit – sei in Kriegsbestrebung in Falle Unthans oder in der Ideologie des Republikanismus und liberalen Kapitalismus bei Filip. Im abschließenden Teil meines Vortrages konzentriere ich mich auf Nachleben beider Lebensbeschreibungen seit den 1950ern. Die Autobiographie von Carl Unthan wurde am Ende der 60er Jahre von Joachim Piechowski neu bearbeitet; der Verfasser akzentuierte in seinem „dokumentarischen Roman“ „Der Mann ohne Arme“ solche Motive wie die zufriedene Ehe Unthans (mit dem Gewicht auf die Liebe für die innere Schönheit usw.) oder das Engagement des armlosen Violinisten im nachkriegszeitlichen Pazifismus und in der entstehenden Bewegung für Behindertenrechte. Paradoxerweise, ergänzen wir, weil das autobiographisches Selbst in der originellen Lebensbeschreibung Unthans sich gerade durch Strategien des „Anpassens“ (passing) und explizite Ablehnung der „Krüppelidentität“ charakterisieren lässt – es handelt sich um eine Art der Annihilation der eigenen körperlichen Differenz, die sich auf der hervorgehobenen Gender- und Klassenormalität des Autors und auf seine bürgerliche Arbeitsmoral und Anstrengung in Name des Vaterlandes und sein Kriegsansatzes gründete. Noch signifikanter für den aktuellen Zustand in postkommunistischen Ländern scheinen tschechische Aufsätze und Bücher über „den armlosen Franz“ aus den letzten zwei Dekaden. Die Person und das autobiographische Selbst dieses renommierten „armlosen Wunders“ funktionierte mehr als 50 Jahre nach seinem Tod als ein Super-Crip-Held der entstehenden neoliberalen Ideologie, als ein Beispiel eines idealisierten Unternehmers und Selfmademans, der nicht nur alle Äußerungen des Mitleids sondern auch das ganze „veraltete“ Fürsorgesystem des kommunistischen Sozialstaates ablehnt und verneint.